Futurium feiert Richtfest: Jeder kann Zukunft gestalten
Mit dem Reallabor hat das neue Zukunftsforum Futurium bereits seine Arbeit aufgenommen – aktive Beteiligung der Besucher erwünscht.
Krankenhäuser sind der Renner. Am liebsten mit einem Landeplatz für Hubschrauber. Oder große und kleine Schulen mit viel Platz für alle – die dürfen in der Stadt der Zukunft nicht fehlen. Dutzende Kinder sind an diesem 1. Juni zur "Nacht der Ideen" im Institut Francais am Kurfürstendamm gekommen, um Häuser zu bauen. Sie falten und stecken Wände und Dächer aus Kartons zusammen und schneiden mit Messern und Scheren Fenster, Türen und Tore in die Pappe. Die Modelle werden bemalt und mit bunten Streifen beklebt. Zusammen sollen die Gebäude zu der Stadt werden, in der die Kinder Berlins in der Zukunft mit ihren Familien und Freunden leben wollen.
So unterschiedlich die Jungen und Mädchen sind, so verschieden sind auch ihre Vorstellungen vom Wohnen in der Stadt. Manche wünschen sich ein großes Haus über mehrere Stockwerke mit Balkon oder Terrasse. Lisa zum Beispiel hätte am liebsten ein Hochhaus mit Schaukel in luftiger Höhe. Louisa hat dagegen ein kleines Häuschen mit orangefarbenen Wänden gebastelt. Es soll neben einer großen Wiese, in der Nähe des Sees stehen. Ihre Freunde wohnen gleich nebenan.
Die Pappstadt ist ein Gemeinschaftsprojekt von Kindern und Erwachsenen. Die Kleinen legen den Grundstein, die Großen sollen später ergänzen und weiterbauen. „Das Experiment steht für mehr Demokratie und Selbstbestimmung, für gemeinsames Gestalten“, sagt David Weigend, Leiter des Reallabors des Futuriums. Zusammen mit Kollegen hat der Zukunftsforscher das Projekt initiiert.
Es geht um den bestmöglichen Zugang zur Stadt für alle
Weil immer mehr Menschen in der Stadt leben wollen, brauchen sie nicht nur ausreichend Wohnraum, auch die Lebensqualität muss stimmen. Dazu gehören Umwelt- und Klimaschutz, ein geringer Energie- und Wasserverbrauch sowie mehr Orte für die vielfältigen Bedürfnisse der Bürger. Menschen mit Behinderung müssen genauso gut in den Vierteln zurechtkommen wie Zuwanderer, Familien oder Ältere. Es geht um eine gute Infrastruktur und den bestmöglichsten Zugang zur Stadt für alle Menschen.
Die Aktion ist ein Testlauf. Alle Ergebnisse werden dokumentiert und sollen später zu einem Konzept zusammengetragen werden. Weigend selbst hat ganz konkrete Vorstellungen, was er sich für seine Stadt wünscht. Zum Beispiel bessere Luft, niedrigere Mieten, einen Garten, in dem er selbst Gemüse anbauen kann oder mehr Fahrradwege. „Es geht darum, wieder mehr selbst zu entscheiden, wie man leben will“, sagt er. Die Kinder würden ganz unbefangen an diese Aufgabe herangehen.
Die Jungs und Mädchen wissen genau, was sie wollen und was nicht. „Zum Beispiel brauchen wir viel Platz statt enge Straßen. Und Wiesen und Bäume statt Autos“, sagt Lena. Der Junge neben ihr hat einen Fußballplatz gemalt. Das Spielfeld klebt er direkt neben den See. Dann kann man nach dem Spiel gleich Schwimmen gehen, sagt er. Sogar ein Haus für alle Generationen gibt es. Alte und junge Leute sollen zusammen wohnen, sagt ein Mädchen. Sowieso gibt es viele Verbindungen zwischen den Gebäuden. Brücken und Wege machen aus den vielen einzelnen Häusern eine Gemeinschaft. Darum geht es auch den Erwachsenen, die später mit ihren Ideen die Stadt der Kinder ergänzen. Der Kiez soll die Menschen näher zusammenbringen.
Zur "Langen Nacht der Wissenschaften" wurde in den Rohbau eingeladen
Noch hat das Futurium kein eigenes Zuhause, daher beteiligt sich das Reallabor an verschiedenen Aktivitäten wie der „Nacht der Ideen“ und der „Langen Nacht der Wissenschaften“ – die Mitte Juni bereits im eigenen Rohbau stattfand. Auch hier wurde an der Zukunftsstadt gewerkelt. Aber nicht nur das: An einem Tisch flitzen kleine Mini-Roboter über eine Teststrecke; die Fahrspur ist ein fetter Strich mit dem Edding. Klebt man auf diesen Strich nun verschiedene Farbcodes, ändert der Roboter seine Fahrtrichtung, beschleunigt oder kehrt um. Ein spielerischer Test, um Besuchern die Dimensionen des autonomen Fahrens zu veranschaulichen.
Im Keller des Futuriums werden dem Reallabor nach seiner Eröffnung 600 Quadratmeter zur Verfügung stehen. In dieser Blackbox soll Partizipation, neben Pappe, schere und Klebeband, mit Tablets, Lasercuttern und 3-D-Druckern auf verschiedenen Niveaus stattfinden. „Hier können neben Kindern auch Wissenschaftler mit ihren Studenten ein Projekt erproben, eine Idee funktional machen und testen“, sagt David Weigend. Besucher könnten vorbeischauen und mit den Entwicklern diskutieren. Wichtig sei immer, dass am Ende etwas Praktisches entstehe. „Die Menschen sollen mit den Händen denken und ihre Vorstellungen von Zukunft einbringen.“ Und alles, was erdacht und erprobt wird, ist sogleich auch öffentlich zu sehen.
Wie die „Karten an die Zukunft“, die man in die Hybrid Letterbox des Design Research Lab der Universität der Künste Berlin werfen kann. Die Karte wird sogleich an die Wand projiziert, später vielleicht auch auf den 30 mal acht Meter großen Screen, der an der Front des Futuriums leuchten wird. Und die Botschaft geht per Twitter in die ganze Welt.
Auch das Reallabor ist nicht an einen Ort gebunden; es kann auf Reisen gehen. Doch egal wo: Testen, testen, testen lautet die Devise. „Es wäre toll, wenn wir in unserem Restaurant auch Prototypen des Essens der Zukunft ausprobieren könnten“, findet Weigend. In diesem Labor ist vieles möglich – wenn viele mitmachen.
Programm bis zur Eröffnung
Zur Langen Nacht der Museen am 27. August finden im Rohbau des Futuriums erneut Veranstaltungen statt.
18 bis 2 Uhr: Projekt Zukunft - Künstler machen mit einer Performance auf der Baustelle neugierig auf die Themen der Zukunft.
18 bis 2 Uhr: Stadt der Zukunft - Im mobilen Reallabor entsteht die Stadt der Zukunft aus Pappe, gebaut von den Gästen der Langen Nacht. Hindurch flitzen kleine autonom fahrende Roboter, die selbst programmiert werden können (für Kinder und Erwachsene).
19, 20, 21, 22, 23 Uhr: Vortragsreihe- Wie könnten wir in Zukunft leben und wie diese Zukunft selbst gestalten? Die Referenten regen zum Nachdenken an und stellen sich auch der Frage: Wie kann man etwas ausstellen, das es noch gar nicht gibt?
18.30, 19.30, 20.30, 21.30, 22.30, 23.30, 0.30 Uhr: Führungen durch das entstehende Haus
Dieser Artikel ist zunächst in der Sonderbeilage "Futurium - Richtfest für die Zukunft" erschienen.