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Aufbau der "Internationalen Kunstausstellung für Palästina" in Beirut 1978.
© Claude Lazar

Konferenz im Haus der Kulturen der Welt: Ist das Kanon oder kann das weg?

Was geht, was bleibt – darüber entscheiden oft Institutionen. Das Berliner HKW widmet sich mit der Ausstellung "Zeit der Unruhe" und einer Konferenz der Macht des Kanons in der Kunst.

Der Boden ist grün, an den weißen Wänden hängen Poster, auf denen in verschiedenen Sprachen steht: Für das Volk. Sie kommen aus Nicaragua, Südafrika, Chile, Paris, Rom. Von der Decke baumeln Tafeln mit Fotos von Ausstellungen, Dokumenten in den Landessprachen. Direkt an der Eingangstür ist ein Video zu sehen: Hände, die einen Ausstellungskatalog durchblättern. Auf einer Seite steht: Art for Solidarity. Mit diesem schmalen Katalog, den die Kuratorinnen Rasha Salti und Kristine Khouri zufällig in Frankreich fanden, fing 2009 eine Reise an.

Er gehörte zur „Internationalen Kunstausstellung für Palästina“, einer Schau, die im März 1978 in Beirut stattfand und von PLO-Kadern organsiert wurde. Antiimperialistische Künstlerkollektive aus aller Welt schickten Werke in die libanesische Hauptstadt. Die israelische Armee, die eine Woche zuvor in das Land einmarschierte, zerstörte später das Gebäude, in dem die Ausstellung gezeigt wurde. Übrig blieb nur der Katalog.

Mit Hilfe dieses Relikts versuchten die Kuratorinnen eine Rekonstruktion. Sie fahndeten nach den Künstlern, die im Verzeichnis aufgeführt waren, in den Datenbanken von Auktionshäusern, Museen und Galerien. Über Jahre führten  die beiden Interviews, sammelten Archivmaterial. Dabei entdeckten sie ein Netzwerk linker Exilkunst in den Südländern. Ihre zunächst als Forschungsprojekt angelegte Recherche eröffnet nun als Ausstellung unter dem Titel „Zeit der Unruhe“ im Haus der Kulturen der Welt die Konferenz „A History of Limits“ am 18. und 19. März.

Die Ausstellung "Zeit der Unruhe" fragt nach den Kunstbewegungen in südlichen Ländern

Vorträge, Podiumsdiskussionen und Workshops zum Thema Kanon sind geplant: Wie entsteht er in der Kunst? Wie verdrängt er anderes, indem er in die Institutionen gelangt? Bernd Scherer, Intendant des HKW, erklärt dazu: „Wir verorten Europa, das, was wir mit den westlichen Werten der Moderne verbinden, heute immer noch größtenteils im Norden. Wir haben uns gefragt, was passiert, wenn man den Norden verlässt?“

Die linken Kunstbewegungen der 70er Jahre in den verschiedenen Südländern schienen alle miteinander in Verbindung zu stehen, sie unterstützen sich gegenseitig in ihrem politischen Kampf. Doch die meisten Werke wurden zerstört oder gingen verloren. Der Besucher fühlt sich im Ausstellungsraum mit all seinem Archivmaterial, als wäre er im Kopf eines verstiegenen Wissenschaftlers gelandet. Oder wie vor einem Puzzle, dessen entscheidende Elemente noch fehlen und dessen Leerstellen nur durch Spekulation gefüllt werden können.

Dessen sind sich auch die Kuratorinnen bewusst. In einem letzten Video verbinden sie die Kollektive und Netzwerke in einer Mind-Map mit einem Kugelschreiber. Dabei ringen ihre Hände um das Führen der Linien, korrigieren sie sich, ziehen aneinander.

Haus der Kulturen der Welt, bis 9. Mai, Mi-Mo 11-19 Uhr, Konferenz: 18./19.3., Programm: www.hkw.de

Giacomo Maihofer

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