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Premiere bei der Berlinale: Iron Sky: Nazi-Trash, Crowdfunding und mehr

Nazi-Kolonie auf dem Mond: Der finnische Regisseur Timo Vuorensola stellte auf der Berlinale seine teils durch eine Internet-Fangemeinde finanzierte Komödie "Iron Sky" vor.

Dürfen die das? Einen solchen Film drehen und dann auch noch mit teilweise deutscher Finanzierung? Einen Film über Nazis, die in eine Kolonie auf den Mond geflohen sind und sich auf ihre Rückkehr zur Erde samt doch noch zu verwirklichendem Endsieg vorbereiten? Eine Komödie, die sich dem Vorwurf aussetzt, das NS-Regime zu verharmlosen und dessen Opfer lächerlich zu machen?

Natürlich kamen solche Fragen im Pressegespräch zur Premiere des Films „Iron Sky“ am heutigen Sonnabend auf. „Es war gut, dass wir eine internationale Produktion haben“, sagt Oliver Damian, der den Film mit australischen und finnischen Partnern verwirklicht hat. Eine rein deutsche Produktion wäre wohl bei dem Thema auf Skepsis gestoßen. „Ein finnischer Regisseur geht da ganz anders ran.“

Timo Vuorensola, der finnische Regisseur, hatte jedenfalls von vorneherein den richtigen Ansatz, um eine Nazi-Komödie zu machen. Die Idee kam ihm - „wie alle guten Ideen aus Finnland“ – in der Sauna. Zwei Punkte waren für den Jungregisseur, der bislang mit der Star-Trek-Persiflage „Star Wreck“ bescheidenen Kultstatus errungen hatte, schon während jener Saunasitzung klar: Udo Kier muss eine Hauptrolle spielen und den Soundtrack muss Laibach machen, das slowenische Künstlerkollektiv, das seit den Achtzigern mit totalitären Verfremdungen von Popsongs und –alben zum Beispiel der Beatles Aufsehen erregt und das Genre der Industrial-Musik mit geprägt hat.

„Ich bin ein großer Laibach-Fan“, sagt Vuorensola. „Aber ich wusste natürlich nicht, wie ich da einen Kontakt herstellen soll.“ Und schon gar nicht mit deutschen Stars wie Kier oder Götz Otto oder Julia Dietze. Die Anbahnung solcher Kontakte übernahmen Produzenten und Agenten, die an Vuorensolas Idee glaubten.

Dass der Film schon vor seinem Start im Internet populär wurde, gab ihnen Recht – und half bei der Finanzierung. Rund zehn Prozent der 7,5 Millionen Euro, die das Projekt gekostet hat, kamen durch Anteile zusammen, die von Fans im Netz per Crowdfunding übernommen wurden – sowie durch Fanartikelverkauf online. Seit Wochen kursieren Vorab-Clips zu „Iron Sky“ in den sozialen Netzwerken. Entsprechend gut lief auch der Kartenverkauf bei der Berlinale an, wo der Film im Panorama-Programm gezeigt wird.

"Iron Sky" ist mehr als eine trashige Nazi-Kommödie

Man kann „Iron Sky“ als Trash abtun oder gerade auf diesem Level genießen. Und immer mal wieder gleitet die Story von den Mondnazis, die sich unter der Ägide zweier rivalisierender Führer (Udo Kier, Götz Otto) mit der Weltgemeinschaft eine Schlacht im All und über den Dächern von New York liefern, auch ab in Slapstick und Kitsch. Vuorensola ist nicht Tarantino, da hilft es auch nicht, dass schon mal ein Pfennigabsatz in die Hirnschale einer Hauptfigur dringt.

Doch der Film hat seine Momente, seine Laibach-Momente. Und da geht es dann überhaupt nicht darum, ob man über Nazis lachen darf. Das darf oder muss man schon seit Charlie Chaplin, dessen „Great Dictator“ neben anderen Filmen mit Nazi-Sujet wie dem „Marathon Man“ reichlich zitiert wird. Es geht auch nicht mehr um Provokation mit Hakenkreuzen und anderen schweren Zeichen, wie dies zu Punk-Zeiten üblich war. Und es geht schon gar nicht um das deutsch bemühte, kabarettistisch belehrende „Lachen, das im Halse stecken bleibt“.

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Vorliebe für schicke Uniformen: Laibach.
© promo

Es geht um unser aller Faszination für totalitäre Ästhetik. Um das, was teils avantgardistische, teils massenkompatible Pop-Künstler wie David Bowie oder Bryan Ferry dazu veranlasste, mit dem Faschismus zu flirten.

Laibach haben den Zusammenhang von Pop und Totalitarismus mit "Geburt einer Nation", einer eingedeutschten Version von Queens „One Vision“, auf den Punkt gebracht. Plötzlich wird aus einer Pop-Hymne zum Mitsingen ein Reichsparteitagssoundtrack. Und es wird erfahrbar, dass die Nazis eben nicht nur auf Unterdrückung und Überwältigung bauten, sondern mindestens ebenso auf Ästhetik und Heimeligkeit.

Wie im Heimatfilm kommt in „Iron Sky“ zum Beispiel eine possierlichen Unterrichtsszene daher: mit adretten Pimpfen und einer strohblonden Lehrerin (Julia Dietze), die glaubt, das sie tatsächlich das Gute predigt, wenn sie die NS-Weltherrschaft ankündigt – und dabei auch noch unfassbar gut aussieht.

Ihr reinrassiges Weltbild gerät ins Wanken, als sie einen ebenso attraktiven schwarzen US-Astronauten (Christopher Kirby) trifft, den die Nazis auf dem Mond als Spion festgenommen haben. Dabei ist sie doch schon dem schicken Möchtegern-Führer Klaus Adler (Götz Otto) versprochen…

Der Kampf der Vereinigten Staaten wird von einem fitnessbesessenen Sarah-Palin-Double (Stephanie Paul) als Präsidentin geführt. Die Frau braucht einen Krieg, um wiedergewählt zu werden. Die Idee, zum selben Zweck jenen schwarzen Mann - mehr Fotomodell als Astronaut - auf Mondmission zu schicken („Yes We Can“), um amerikanische Fortschrittsgläubigkeit mit politischer Korrektheit zu verbinden, hatte sich ja fürs Erste als Fehlschlag erwiesen.

Als folgerichtig die Mondnazis die Erde angreifen, kommt dies der Präsidentin und ihrer PR-Beraterin (Peta Sergeant) nur recht. Die beiden Ladies sind derart zynisch und gnadenlos - "This is beautiful", ruft die PR-Frau aus, als es so richtig rumst mit Raketen und so -, da wirken die Nazis zwischenzeitlich sympathisch.

Man erwischt sich dabei, dass man den Mondnazis den Sieg in der Weltraumschlacht zuweilen gönnen würde. Auch wegen der schicken Sachen, die sie tragen. Und tatsächlich kriegen einige von ihnen am Ende die Kurve. Für alle anderen Beteiligten sieht es nicht so gut aus - ohne hier schon den Schluss verraten zu wollen.

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