First Steps Award: In der Mitte ist es am Schönsten
Persönlich und unerbittlich: Bei den First-Steps-Awards dominieren Geschichten von Menschen in extremen Situationen, den Ehrenpreis erhält Radio-1-Moderator Knut Elstermann.
Axel Ranisch und seine Oma Ruth Bickelhaupt, seitlich auf der Bühne im gemütlichen Sessel platziert: Irgendwann gewinnt der kindliche Charme des leichtfüßig schwergewichtigen Regisseurs und seiner aus einem alten Kinolehrbuch lustige Sentenzen vortragenden Großmutter eine gewisse Eintönigkeit. „Kommt in die Mitte, hier ist es am Schönsten“, ruft der Filmpreisgala-Moderator seinen Gästen und den Preisträgern auf der Bühne zu. Der Satz wird zum heimlichen Motto des Abends, sind die Nachwuchs-Filmschaffenden bei diesem 16. First-Steps-Jahrgang doch alle recht - mittig: wohlerzogen, mit perfekt und vollständig vorgetragenen Dankesworten (von den Förderern bis zu den Eltern), tüchtig allemal. Um den deutschsprachigen Filmnachwuchs muss man sich auch dieses Jahr keine Sorgen machen, die gehen ihren Weg.
Große Rührung, auch Tränen, gibt es diesmal vor allem beim Ehrenpreisträger, bei "Kino-King Knut", dem Filmjournalisten und Moderator Knut Elstermann, Anchorman von Deutschlands wichtigster Filmradio-Sendung, „Zwölf Uhr mittags“ bei Radio 1. Laudatorin Christiane Paul würdigt ihn als einen, der die Debütanten schon immer besonders aufmerksam journalistisch begleitet hat, mit Neugier und Empathie, die gleichwohl immer kritisch bleibt. Und als einen, den junge Schauspieler und Regisseure auf ihrem weiteren Berufsweg dann einfach nicht mehr loswerden. Knut Elstermann, ein treuer Weggefährte – Standing Ovations im Musicaltheater am Potsdamer Platz. Zu Recht merkt Elstermann an, dass die gewöhnlich an den Nachwuchs gerichteten Ratschläge - „Habt Mut, macht eure Filme, geht ran!“ – besser den Älteren gelten sollten, den Produzenten, Redakteuren und Journalisten. Und er bricht eine Lanze für den Diskurs, das Gespräch über Filme, das auch in den herkömmlichen Medien nicht versiegen dürfe. Auch dazu braucht es Mut.
Die Werbefilme: eher plump
Die meisten der ausgezeichneten, mit insgesamt 92.000 Euro prämierten Nachwuchs-Filme sind immerhin alles andere als „mittig“. Sie erzählen von Menschen und Familien in Extremsituationen, persönlich wie unerbittlich. Den Hauptpreis in der Kategorie „Abendfüllender Spielfilm“ gewinnt die österreichische Regisseurin und Haneke-Schülerin Andrina Mracnikar für ihren Psycho-Liebesthriller „Ma Folie“, der schon beim Max-Ophüls-Filmfest in Saarbrücken viel Aufmerksamkeit erhielt. Der Preis für einen mittellangen Spielfilm ging an Patrick Vollraths bereits mit dem Studenten-Oscar ausgezeichnete Produktion „Alles wird gut“, ebenfalls aus Wien: Simon Schwarz spielt einen getrennten Vater, der seiner kleinen Tochter ein Alptraum-Wochenende beschert. Auch Ilker Çatak von der Hamburg Media School, dessen Taksim-Platz-Kurzfilm „Sadakat“ in der Short-Kategorie gewann, hat bereits den Studenten-Oscar dafür erhalten. Und der Ludwigsburger Absolvent Levin Peter wurde mit „Hinter dem Schneesturm“ als bester Dokumentarfilmer geehrt. Peter befragt darin seinen Großvater nach dessen Erinnerungen als Wehrmachtssoldat. Der von Bernd Eichinger gestiftete „No Fear“-Preis für eine ungewöhnliche Produzentenleistung ging wiederum an Simon Riedl, für den teilweise in Kenia gedrehten Marathonläufer-Dokumentarfilm „The Long Distance“.
Nur die Werbefilme, sonst immer ein pointenreiches Highlight der First-Steps-Gala, enttäuschten diesmal mit eher plumpen Genre-Versuchen von Splatter bis Kostümschinken. Der Gewinnerfilm, die ausschließlich mit Blick auf zwei Paar Sneaker erzählte Lovestory „Walk With Me“ von Ju Lee von der HFF München hatte wenigstens etwas Charme. Das von vielen - jedenfalls nach dem Jubelpegel im Saal zu urteilen - in der Königsdisziplin des Langspielsfilms als Favorit gehandelte Syrien-Flüchtlingsdrama „After Spring Comes Fall“ erhielt den Michael-Ballhaus-Preis für den Kameramann Johannes Waltermann. Die europäische Solidarität für die Flüchtlinge dieser Tage wurde an diesem Abend am Potsdamer Platz ohnehin von vielen beschworen, auch von Iris Berben, der Präsidentin der Deutschen Filmakademie, die am Ende der etwas zähen Gala den Hauptpreis mitvergab.
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