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Standort Schlossfreiheit, mit der Bauakademie im Hintergrund. Das Geld für den Baubeginn der Einheitswippe wurde am Mittwoch nicht freigegeben.
© Milla & Partner/Sasha Waltz/dpa

Das Berliner Einheitsdenkmal: Immer Zoff um die Wippe

Beim Einheitsdenkmal war eigentlich alles klar. Jetzt wurde die Mittelfreigabe im Haushaltsausschuss vertagt. Kleine Analyse eines politischen Ränkespiels.

Im Büro eines der wohl mächtigsten Fachpolitiker der Sozialdemokraten im Bundestag, Johannes Kahrs, hieß es auf Anfrage am Tag nach der zwölfstündigen Sitzung des Haushaltsausschusses nur schmallippig: „Dazu gibt es keinen Redebedarf“. Am Abend zuvor hatte der Ausschussvorsitzende die Vorlage von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zur Freigabe von 17,1 Millionen Euro für den Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals vor dem Schloss fast schon beiläufig für nicht beschlussfähig erklärt. Die Wippe, erneut auf die lange Bank geschoben – ein Eklat.

Die Kulturstaatsministerin soll zwar widersprochen haben, zumal deren Vorarbeiten in eine vom Bundesfinanzministerium abgesegnete Vorlage eingeflossen sind (Kapitel 0452, Titel 89465). Die Vorlage rechtfertigt bis ins Detail: Es kann gebaut werden. Eine Winzigkeit gab es dann aber doch, die den Gegnern der „Einheitswippe“ zupass kam: Der Kaufvertrag für das Grundstück, das dem Land Berlin gehört, ist noch nicht unterzeichnet.

Ist der Ausschussvorsitzende ein besonders skrupulöser Abgeordneter, der nur formvollendeten Vorlagen eine Chance gibt? Dagegen spricht eine Amtshandlung von Johannes Kahrs vor etwa zwei Jahren, im demselben Ausschuss und in derselben Sache. Da hatte er 18 Millionen Euro für die Rekonstruktion der kaiserlichen Kolonnaden am designierten Bauplatz des Einheitsdenkmals – also auf dem Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals – bereitstellen lassen. Und zwar ohne dass eine genauere Planung vorlag, geschweige denn eine Genehmigung oder ein unterzeichneter Grundstückskauf. Auch ein Architekturbüro war nicht bekannt. „Wir haben viel für Berlin draufgelegt, weil es eine großartige Stadt ist“, hatte Kahrs damals dem Tagesspiegel erklärt. Und dass „die Beschlüsse fast alle einstimmig fallen“.

Der Grundstücksvertrag ist "endverhandelt", heißt es vom Land Berlin

Dass die Grundstücksfrage ein Grund sein könnte, um einen neuerlichen Aufschub zu rechtfertigen, lässt sich durch einen Anruf bei der Chefin von Berlins landeseigener Grundeigentumsgesellschaft BIM ausschließen. „Wir sind uns in allen wesentlichen Punkten einig“, sagt Birgit Möhring. Der Kaufvertrag, mit dem die Landesfläche an den Bund geht, liege „endverhandelt“ bei der Senatsverwaltung für Finanzen. Kleinigkeiten, Formulierungen allenfalls könnten noch angepasst werden. Daran werde es nicht scheitern, sie sei von der Nachricht aus dem Haushaltsausschuss selbst überrascht worden.

Zumal das Architektenbüro Milla und Partner schon am Montag mit der Realisierung der Wippe hätte starten können. Die Baugenehmigung ist längst da. Nun wurde sicherheitshalber eine Verlängerung beantragt. Denn in den Sommerferien gibt es zwar noch eine Sondersitzung des Haushaltsausschusses, aber da findet sich das Einheitsdenkmal nicht auf der Tagesordnung. Erst im September findet die nächste ordentliche Sitzung statt. Im Oktober läuft die Baugenehmigung aus. Wird darauf spekuliert, dass neue Bedenken die Bauämter in Berlin beschleichen, wie zuvor schon bei der Sicherheit?

Der Beschluss, das Thema zu vertagen, kam aus der Koalition, heißt es

Dass im Senat mancher Gegner des Denkmals sitzt, ist bekannt. Besonders in der Linken, hervorgegangen aus der zu DDR-Zeiten staatstragenden SED, tut sich mancher schwer mit der Heroisierung der Friedlichen Revolution. Es heißt sogar, die Senatskanzlei habe vor dem ersten Kahrs-„Putsch“ grünes Licht für die Kolonnaden-Option gegeben, die die Wippe ja verhindert hätte.

Einen „kulturpolitischen Affront“ nennt der baupolitische Sprecher der Grünen Chris Kühn das Schauspiel. Mehrere parlamentarische Mehrheiten würden nun usurpiert: Bevor der Bundestag zum zweiten Mal mehrheitlich für das Denkmal stimmte, stimmten auch im Kulturausschuss die meisten dafür. Die Gegner der kinetischen Skulptur nähmen wohl trotzdem einen neuen Anlauf.

Beobachter des Schauspiels im Haushaltsausschuss sagen – ohne genannt werden zu wollen – , Kahrs sei zwar der eigentlich Handelnde gewesen. Der Beschluss, die Freigabe der Bausumme zu vertagen, sei aber „aus der Koalition“ gekommen. Viele seien nicht glücklich mit dem Denkmal vor dem Schloss. Befürworter sagen dagegen, Kahrs sei es, der den Widerstand mobilisiere – und das Sperrfeuer entfache.

Wächst sich jetzt auch die Standortdebatte wieder aus?

Womöglich wächst sich auch das andere Sperrfeuer aus, der von der Berliner Sozialdemokratin und stellvertretenden Fraktionschefin Eva Högl angefachte Streit um den Alternativstandort vor dem Reichstag. Ein wegen unterirdischer Tunnel ungeeigneter Ort für den preisgekrönten Entwurf – es wäre mit einiger Gewissheit das Ende des Denkmals.

Einen ausführlichen Bericht über die Vorlage zum Einheitsdenkmal von Kulturstaatsministerin Grütters einschließlich detaillierter Erläuterungen der Kosten finden Sie am Samstag auf den Immobilienseiten des Tagesspiegels.

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