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Liebt das Boxen. Der Reporter und Schriftsteller Takis Würger, geboren 1985.
© Sven Doering / Agentur Focus

"Der Club" von Takis Würger: Im Zeichen der Lüge

Popliteratur-Sound trifft Krimiplot und Liebesgeschichte: Takis Würger erzählt in seinem Debüt-Roman „Der Club“ von einem Jungmännerbund in Cambridge.

Im Zentrum von Takis Würgers Debütroman „Der Club“ kommt einmal auch der Besitzer eines Bekleidungsgeschäfts zu Wort, Ryder mit Namen. Der erinnert sich an einen Kunden, der vor vierzig Jahren eine Stoffprobe in seinem Sakko verschwinden ließ, im Gegenzug einen Umschlag mit Geldscheinen auf den Tisch legte und sagte, dass sein Club in Zukunft auf Öffentlichkeit verzichten wolle. „Da wusste ich“, so Ryder, „das war das alte England, das vor mir stand, und gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht wissen wollte, was für ein Club das war und und warum die Stoffprobe in der Jackentasche des Mannes steckte.“

Der „Spiegel“-Reporter Takis Würger, 1985 im niedersächsischen Hohenhameln geboren, kennt das alte England ganz gut, er hat sich eine Auszeit vom Journalismus genommen und drei Jahre in Cambridge studiert. Sein Roman basiert auf Erfahrungen, die er dort und insbesondere in ein paar Herren- und Box-Clubs gemacht hat, darunter der Pitt Club.

Dieser steht im Mittelpunkt des Geschehens. Oder vielmehr: ein fünfköpfiger Jungmännerbund, der sich als noch exklusiverer, geheimerer Club im Club versteht, mit einem gelben Schmetterlingslogo, „ein Club von jungen Männern, die sich schwören, immer füreinander einzustehen.“ Und die einen verbrecherischen Aufnahme-Ritus pflegen, von einem der Mitglieder als „ein wenig exzentrisch“ verharmlost.

Protagonist Hans stammt wie der Autor aus Niedersachsen

Würgers Hauptfigur, der aus dem südlichen Niedersachsen stammende Hans, wird von seiner in Cambridge lehrenden Tante Alex aufgefordert, hier zu studieren und sich um die Pitt-Club-Mitgliedschaft zu bemühen. Er soll Licht in die Vorgänge bei den Schmetterlingen bringen – und Alex helfen, sich zu rächen.

„Der Club“ hat mit seiner Binnengeschichte den Charakter eines Kriminalromans, und Würger versteht es, den Plot zu inszenieren und schnellen Striches voranzutreiben. Doch er will noch mehr: einen Blick hinter die Kulissen der Eliteuniversität werfen, in der Jungs wie Josh studieren, die sich gegen einen Alkoholkater Infusionen geben lassen oder Gesichtsreinigungsmasken anlegen. In der aber auch Menschen landen, die von unten kommen, wie Hans. Oder die es verbissen in die Clubs drängt, um dazuzugehören, wie der aus China stammende Peter Wong.

Das Erzähltempo ist hoch

Zudem will Würger eine Liebesgeschichte und mehr noch eine von Freundschaft und Verrat erzählen, motivisch unterlegt durch das Wechselspiel von Wahrheit und Lüge, unter der Fragestellung: Wie wahrhaftig können Lügen sein, file under Pablo Picasso oder Martin Walser, wie fadenscheinig ist die Wahrheit? Um all das einigermaßen unterzubringen, erzählen Würgers Figuren zumeist im Wechsel aus der Ich-Perspektive ihre Eindrücke voneinander und ihre Sicht auf die geheime Geschichte, neben Hans und Alex noch Charlotte und ihr Vater, Joshua, ein gewisser Billy, der unter den Farben des Regenbogens in den Boxring zieht, Peter Wong, der eingangs erwähnte Geschäftsbesitzer etc.

Dem Tempo des Romans ist das nur förderlich. Würger aber gelingt es selten, den jeweiligen Figuren auch mittels seiner Sprache Kontur zu verleihen, sie in jeweils unterschiedliche Stimmlagen zu bringen. Einzig Josh wirkt bisweilen eigensinnig in seinen Lockerheitsausbrüchen („aber wie geil ist bitte Butter“); dagegen wirkt das zur Abwechslung konsequent tabellarisch erzählte tägliche Morgenprogramm von Peter Wong betont aufgesetzt. Tatsächlich kommt es bei der Lektüre vor, dass man gerade nicht weiß, wer erzählt in diesem schon klaren, mal auf den Punkt gebrachten, mal detailverliebten, aber nur ansatzweise poetischen Würger-Pop-Literatur-Sprachsound.

Plötzlich tritt ein Irakkriegs-Veteran auf

Warum jemand wie der Irakkriegs-Veteran Magic Mike seinen Auftritt hat, ein einziges Mal, erschließt sich kaum – und könnte begründet sein in der Absicht, das Figurentableau schön vielfältig zu bestücken. Und um Sätze zu schreiben wie: „Gott war bei mir, als ich Falludscha stürmte. Einmal traten zwei Männer vor mir auf Minen und verloren ihre Beine. Es roch wie Grillfleisch, ein bisschen süßer, seitdem ist mir die Lust auf Steaks vergangen.“ Muskulös-authentisch klingt das, Würger war für den „Spiegel“ auch im Irak.

So muss man es mit Josh halten. Der weiß von Storys, „die nur wenige kennen und nur wenige erzählen können. Manchmal sind das die besten.“ Das Setting von „Der Club“ ist gut und ungewöhnlich, Würgers (Kriminal-)Story okay und nicht so ungewöhnlich – die erzählerische Ausführung jedoch lässt Wünsche offen.

Takis Würger:  Der Club. Roman. Verlag Kein & Aber, Zürich 2017. 238 Seiten, 22 €.

Gerrit Bartels

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