Ausstellung über chinesische Architektur: Im Reich der Ziegelsteine
Hochglanz einerseits, Traditionsbewahrung anderseits: Das Aedes Architekturforum stellt „Sechzehn chinesische Museen. Fünfzehn chinesische Architekten“ vor.
Was für ein köstlicher Einfall: Statt Fotografien empfängt den Besucher der Ausstellung „Zai Xing Tu-Mu. Sixteen Chinese Museums. Fifteen Chinese Architects“ in der Galerie Aedes nicht eine Reihe von Fotografien, sondern von gemalten Ansichten. Liao Yiming hat sie gemalt, wenn auch nach Fotografien. Er arbeitet in Dafen, einem Stadtteil der Wirtschaftsmetropole Shenzhen, wo kommerzielle Kunst und eben auch Reproduktion zu Hause sind. Gezeigt werden Ansichten von 16 Museen, die in China entstanden sind, und deren Architekten bis auf den zur Ehre des Pritzker-Preises erhobenen Wang Shu außerhalb des eigenen Landes womöglich nicht geläufig sind.
Aedes engagiert sich seit vielen Jahren für die Architektur aus dem Reich der Mitte; eine erste Ausstellung fand 2001 unter dem Titel „Young Architecture of China“ statt. Dabei war neben Wang Shu auch Ai Weiwei, mittlerweile eine Weltberühmtheit, der bei Aedes zum ersten Mal in Berlin ausstellte. Diesmal sind sogar eine Reihe der ausgestellten Architekten mit nach Europa gereist.
Museum im Nichts
Dass den 16 Museen lediglich 15 Architektenteams zugeordnet werden können, liegt daran, dass eines der Häuser, das „Museum der Wanderarbeiter“ im Dorf Picun nahe der Hauptstadt Peking, ohne Architekt geschaffen wurde – stattdessen von einer lokalen NGO, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Geschichte und das Leben der für den Aufbau der Wirtschaftsweltmacht China so unentbehrlichen, weil rücksichtslos ausgebeuteten Wanderarbeiter für künftige Generationen zu dokumentieren. Das Museum, das man eher unter die Kategorie „Stadtteilklub“ fassen sollte, ist in einem typischen Hofgebäude untergebracht; und dass es in die Auswahl exquisiter Museumsbauten aufgenommen wurde, dient nicht zuletzt dazu, den Hochglanz-Eindruck der offiziellen Kultur etwas auszubalancieren.
Denn Hochglanz ist es allemal, was die chinesischen Städte, deren Namen wir bisweilen erst einmal nachschlagen müssen, hervorbringen. Das geht so weit, dass etwa in Ordos, einer Retortenstadt in der Inneren Mongolei, das 2011 eröffnete, organoid geformte Museum von MAD Architekten (Beijing) quasi im Nichts dasteht, aber – wenn angemessen fotografiert – in seinem wagemutigen Formenreichtum spektakulär wirkt.
Das „Kunstkraftwerk“ in Schanghai von Original Design Studio, 2012 vollendet, lehnt sich hingegen an das Londoner Vorbild der Tate Modern an – und kann es mit diesem Museum in einem ehemalige Kraftwerk am Themseufer an Raumgröße aufnehmen.
Den Ziegelstein bewahren
Man ist froh, auch ein bescheiden dimensioniertes Haus in der Auswahl zu finden, das „Museum handgeschöpften Papiers“ in Gaoling in der Provinz Yunnan. Trace Architecture Office (Beijing) hat die lokalen Bautraditionen und vor allem das Material Holz – gegen den übermächtigen Beton der Modernisierung – aufgeboten, um Einzelbauten auf gemeinsamem Fundament zu versammeln.
Im Westen bei Weitem am bekanntesten ist das „Historische Museum Ningbo“, das Wang Shu und seine Partnerin Lu Wenyu zwischen 2003 und 2008 aus mehr als zwanzig verschiedenen Sorten traditioneller Ziegelsteine und Dachziegel errichtet haben – anders, als die meisten Fotos es suggerieren, nicht in monumentaler Abgeschiedenheit, sondern im Zentrum einer riesigen Freifläche in dem zu sechs Millionen angeschwollenen Ningbo. Wang Shus Engagement für die Bewahrung des traditionellen Ziegelsteins inmitten des neuerungssüchtigen China von heute kann allerdings nicht hoch genug veranschlagt werden.
Ähnliches gilt für das „Xiao Hui Wang Kunstmuseum“ in der uralten Stadt Suzhou, die mit ihren Gärten und Kanälen einen Inbegriff der chinesischen Hochkultur bildet. Der Künstler Xiao Huio Wang wurde von der Stadt gebeten, in einem 400 Jahre alten Wohnhaus ein Museum für seine eigenen Werke wie auch seine Sammlung einzurichten. Daraus wurde dann unter Mitarbeit von EXH Design und Damo Design, zweier Büros aus Schanghai, ein Komplex, der sich in die niedriggeschossige Stadtstruktur einfügt und die chinesische Bautradition – wie heißt es so schön: – „interpretiert“.
Das Ziel: Ein Museum je 250 000 Einwohner
Auf noch entschiedenere Weise tut das die „Jishou Kunstmuseumsbrücke“, bei der die Architekten vom Atelier Feichang Jianzhu (Beijing) tatsächlich das Motiv der gedeckten Fußgängerbrücke aufgreifen. Dass selbst die frühere Industrialisierung bereits als Formenreservoir taugt, zeigt das „Long Museum“ in Schanghai, das das ortsansässige Atelier Deshaus unter Einbeziehung einer Kohle-Umladestation für die Kollektionen eines Sammlerehepaares ganz aus Beton gegossen hat. Ein wenig darf man sich an die strengen Formen erinnert fühlen, die Louis Kahn Ende der sechziger Jahre für das Kimbell Art Museum in Texas gefunden hat und die von vielen Architekten bis heute geradezu angebetet werden.
2013 gab es in China 3800 Museen, mittlerweile dürfte die Zahl auf 4500 angestiegen sein. Das klingt sehr viel, ist aber bezogen auf die Bevölkerungszahl noch wenig, verglichen etwa mit Deutschland, wo der Museumsbund nicht weniger als 6250 Museen zählt. China hat sich das Ziel gesetzt – es geht auch hierbei alles nach Plan –, künftig ein Museum je 250 000 Einwohner zu betreiben, was gewiss bald erreicht sein dürfte.
Bei Aedes sind die Flaggschiffe dieser Entwicklung zu sehen. Wenn man sich die Modelle und Grundrisse anschaut, wenn man in dem wie üblich hochinformativen (englischsprachigen) Katalog im handlichen Aedes-Format blättert, fragt man sich, warum nicht mehr chinesische Architekturbüros – als tatsächlich nur ein einziges – zum Wettbewerb für das Berliner „Museum der Moderne“ am Kulturforum geladen wurden. Man hätte Überraschendes erwarten dürfen.
Aedes Architekturforum, Christinenstr. 18–19, bis 13. Oktober. Katalog 10 €. Mehr Informationen unter www.aedes-arc.de.
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