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Der Wald als Metapher in Claus Guths Inszenierung von "Don Giovanni".
© Monika Rittershaus / Staatsoper Berlin

"Don Giovanni" in der Staatsoper: Im Dickicht der Gefühle

Hingehen: Die Staatsoper Berlin hat ihren "Don Giovanni" erneut einstudiert. Claus Guth schickt dabei die Schönen und Reichen von heute in den dunklen deutschen Wald.

Mit Koproduktionen ist das so ähnlich wie mit der Katze im Sack: Wenn die Inszenierung wider Erwarten bei der Premiere floppt, müssen die beteiligten Partner-Theater sie dennoch nolens volens übernehmen – weil sie ja bereits Geld in die Chose investiert haben. Da ist es eigentlich viel klüger, wenn Intendanten eine bereits woanders erfolgreich gelaufene Produktion für ihr Haus einkaufen. Wenn der Ort der Entstehung weit genug entfernt ist, dürfte es kaum zu Dopplungen bei den Besuchern kommen. Mit Ausnahme von ein paar überdurchschnittlich reisefreudigen Kritikern natürlich, die dann auch garantiert etwas von „Recycling“ nörgeln.

Im Fall von Claus Guths Salzburger „Don Giovanni“ war das Jürgen Flimm aber egal. Denn zum einen ist diese Mozart-Deutung einfach zu gut, um sie nach nur einem Festspielsommer in den Schredder zu schicken – und zum anderen kam er hier mit sich selber ins Geschäft. Weil er die Produktion einfach aus Österreich nach Deutschland mitbrachte, als er vom Schleudersitz an der Salzach auf den gemütlichen Chefsessel an der Berliner Staatsoper wechselte.

Regisseur Claus Guth schickt bei seinem „Don Giovanni“ die Schönen und Reichen von heute in den dunklen deutschen Wald. Donna Anna, ein Mädchen aus besten Kreisen, meint in dem sensiblen Intellektuellen Ottavio den angemessenen Partner gefunden zu haben. Dann aber begegnet sie dem Lebens- und Liebeskünstler Giovanni, der ihren Köper in Flammen setzt. Sie gibt sich ihm hin, schreckt zurück, vergeht vor Geilheit, will sich an dem Mann rächen, der ihre Lebensplanung zerstört hat. Am Ende wirft sie alle Statussymbole ab, den Schmuck, die Designerklamotten, und rennt ziellos ins Dunkel.

Die Sänger leisten Übermenschliches

Es ist tollkühn von Claus Guth, den Wald als Metapher zu wählen, als Don Giovannis Jagdrevier, als Ort menschlicher Urängste, als Dickicht der Gefühle auch, in dem die Protagonisten sich vor lauter Bäumen selber nicht mehr sehen. Und es ist schier genialisch, wie der Regisseur seine Versuchsanordnung durchspielt, dreieinhalb Stunden im Einheitsbühnenbild auf der Drehscheibe. Die Sänger leisten dabei Übermenschliches, absolvieren im Halbdunkel einen Dauerwaldlauf über unebenes Terrain. Nichts wirkt hier eingeübt oder geschauspielert, die Geschichte entfaltet sich in einer Direktheit, wie man es auf Opernbühnen selten erlebt.

Jetzt hat die Staatsoper ihren „Don Giovanni“ erneut einstudiert, als allererstes Stück übrigens im gerade fertig gewordenen Probenzentrum des Opernhauses Unter den Linden (Aufführungen am 25. und 28. September sowie 1. Oktober). Von der Berliner Premierenbesetzung sind noch Dorothea Röschmann als – in ihrer Seelenqual tief berührende – Donna Elvira sowie Christopher Maltman als äußerst körperbetont agierender Titelheld dabei, zwei großartige Singschauspieler. Und für die Rolle des It-Girls Donna Anna konnte Intendant Jürgen Flimm tatsächlich Olga Peretyatko gewinnen, eine der derzeit am heißesten begehrten jungen Sopranistinnen – und zwar weltweit.

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