Gespräch mit Galerist David Zwirner: Ich will mich überraschen
Vor 25 Jahren gründete David Zwirner seine Galerie in New York. Heute gehört er zu den Großen des Kunstmarkts mit drei Filialen in New York, London und Hongkong.
Herr Zwirner, Sie sind zurzeit einer der wichtigsten Player im internationalen Kunsthandel. Was animiert Sie?
Ich weiß es gar nicht so richtig. Mir macht die Arbeit einfach Spaß: die Dinge weiterdenken, etwas aufbauen.
Gibt es eine bestimmte Kunst, einen Künstler, der Sie motiviert?
Ich finde es wichtig, gerade keine Betriebsästhetik zu haben, sondern mich und mein Publikum immer wieder zu überraschen. Aber es gab einen Künstler, der zentral für meine Geschmacksbildung war, Jason Rhoades. Vor zehn Jahren starb er mit nur 41 Jahren, eine unglaublich kreative Künstlertype. Er hat in meinen ersten Jahren als Galerist bei mir im Kopf viel bewegt.
Jason Rhoades gilt im besten Sinne als unkonventionell. Ist es das, was Sie inspiriert hat?
Von Francis Picabia stammt der Satz: „Der Kopf ist rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann“. Das hat Rhoades in seiner Kunst gelebt. Er hat Sachen gemacht, die für ihn nicht von vorneherein klar waren. Das ist ein gutes Motto auch für meinen Berufsstand: sich auf etwas einlassen, von dem man nicht weiß, worum es geht, das sich nicht gleich einordnen lässt.
Als Sie die Galerie in SoHo gründeten, war der US-Kunstmarkt am Tiefpunkt. Warum haben Sie es trotzdem versucht?
New York ist eine Jugendliebe. Ich war als Teenager in New York, das prägte mich. Nach dem Abitur bin ich zurückgekommen und habe meine Frau kennengelernt. 1993 wollte ich mich einfach selbstständig machen. Ich hatte Pfeffer im Arsch. Im Nachhinein war das der ideale Zeitpunkt, um eine Galerie zu eröffnen. Wenn die Kurve am Boden angekommen ist, kann es nur nach oben gehen. Das wusste ich damals natürlich nicht. Aber ich musste nicht kapitalintensiv arbeiten, die Künstler waren mir gegenüber sehr offen, weil es weniger Konkurrenz gab. Ich konnte so früh mit Künstlern wie Franz West, Luc Tuymans, Stan Douglas zusammenarbeiten, die bereits international von Bedeutung waren.
War Berlin nie eine Option? Damals begann eine Reihe von Galerien, sich voller Hoffnung hier niederzulassen.
Über Berlin habe ich gar nicht nachgedacht, nur über New York, wo ich seit 1990 wieder lebte. Aber ich kannte die Stadt gut. Ich habe Ende der 80er Jahre für ein Record-Label gearbeitet, mit Büros in Hamburg und Berlin, und bin fast jede Woche hierher gefahren. Es war quirlig, aber die Kunstszene startete letztlich erst nach der Wende durch. Erst dann kamen die Kunst-Werke in der Auguststraße. Eine Sammlerszene ist mir damals nicht aufgefallen.
Als Kunstmarktort hinkt Berlin immer noch hinterher. Die Messe kränkelt, wenige Galerien verkaufen wirklich gut, viele schließen wieder. Was raten Sie?
Die Stadt kann sich nicht beklagen. Sie hat tolle Künstler, jede Menge Galerien und gute Museen. Das Problem sind die höheren Preise. Dafür gibt es kein Umfeld wie im Rheinland, München und Hamburg. Aber eine Karriere zu starten mit jungen Künstlern, das klappt in Berlin.
Das ist der Charme Berlins als Produktionsstätte.
Der Sekundärmarkt ist schwach. Berlin ist eine Entdeckerstadt. Amerikanische Sammler und Kuratoren kommen gerne, wegen der jungen Kunst. Aber wenn man 25 Jahre im Geschäft ist, braucht man auch ältere Künstler. Da ist es in New York einfacher.
Inwiefern?
New York ist einmalig in der Welt, wenn es um den Kunstmarkt, die Sammler und hochkarätigen Museen geht. Dort gibt es eine unglaublich interessante Szene an Sammlern, die sich in Galerien wie Museen engagiert.
Trauern Sie manchmal Ihren Anfängen nach; wenige Beteiligte, weniger Galerien, erschwinglichere Kunst?
Die ersten Jahre waren natürlich charmant. Aber je länger ich dabei war, desto mehr wollte ich mich vergrößern, etabliertere Künstler hinzuholen. Ich war nie nostalgisch.
Was ist denn Ihre intensivste Erinnerung an Ihre Anfangszeit?
Der Anruf, als Jason Rhoades völlig unerwartet gestorben war. Das kommt sofort hoch. Was hätte er noch alles Tolles machen können. Dann die Zusammenarbeit mit Friedrich Christian Flick, der Aufbau seiner Sammlung, die sich heute im Hamburger Bahnhof befindet. Das ging gleich 1994 los.
Heute haben Sie Dependancen in London und Hongkong, drei Filialen in New York und planen mit Renzo Piano eine Ausstellungshalle in Chelsea.
Wir wollen Künstler und die Künstlernachlässe so gut wie möglich präsentieren und ihnen zugleich eine größere Öffentlichkeit erschließen, deshalb Hongkong und London. Asien ist besonders spannend, denn dort beginnt der Kunstmarkt gerade erst. Das Interesse an der westlichen Kunst ist neu. Und wir möchten von Anfang an dabei sein.
In den letzten Jahren haben Sie sich auf Künstlernachlässe spezialisiert. Können Museen diese Arbeit kaum noch leisten? Oder sichern Sie sich dadurch die Zugänglichkeit für den Markt?
Galerien haben sich immer schon um Nachlässe gekümmert, es gehört zum Beruf. Neu ist, dass dies auch jüngere Galerien tun. Der Grund: Man möchte kunsthistorisch relevant arbeiten und hofft, dass die eigenen Künstler Teil des Kanons werden, Teil der großen Museumssammlungen. Mit einem bedeutenden Nachlass ist man schon zwei Schritte weiter. Und es macht Spaß, diese Kunst neben Werken auszustellen, die frisch aus den Ateliers kommen. Jüngere Künstler mögen den Kontext, sie mögen es, wenn ihre Galerie auch Eckpfeiler der Kunstgeschichte zeigt, wie Sigmar Polke.
Wen bevorzugen Sie als Käufer, Museen oder Privatsammler? Beim Handel mit Kunst wird immer auch ein Stück Aura verkauft, ein Image, ein Lebensgefühl...
… und Bedeutung und Inhalt. Wir haben 2015 eine Serra-Ausstellung gemacht und die aus acht Stahlblöcken bestehende Arbeit ans MoMA verkauft. Um sie auszustellen, muss eigens ein Raum im Museum umgebaut werden. „Equal“ wird sicherlich die nächsten zehn Jahre zu sehen sein. Das ist ein ideales Resultat. Die Arbeit befindet sich nicht nur im besten Museum der Welt, sondern wird dort auch noch gezeigt. Bei Sammlern ist es uns wichtig, über die Jahre hinweg im Dialog zu stehen. Da habe ich Glück. Unsere aktiven Sammler noch aus der ersten Zeit haben inzwischen ihre eigenen Räume, einige sogar eigene Museen.
Was macht für Sie einen erfolgreichen Galeristen aus?
Vier Dinge. Das Wichtigste sind die Künstler, dann die Ausstellungen. Sie sind die Visitenkarte. Nummer drei: die Räume. Wenn die nicht gut sind, leidet die Galerie. Dann die Mitarbeiter, inzwischen haben wir über 70, die direkt mit den Künstlern zusammenarbeiten, Kataloge vorbereiten, die Ausstellungen installieren, die Werke verschicken. Alle diese vier Punkte müssen stimmen.
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