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Die Arctic Monkeys um Alex Turner (2. v. l.).
© Zackery Michael

Arctic Monkeys live in Berlin: Ich wette, du siehst gut aus an der Hotelbar

Die Arctic Monkeys liefern in der Berliner Columbiahalle eine souveräne Indie-Rock-Show ab.

Die Fans der Arctic Monkeys haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem gelungenen Konzert ihrer Band. „Falls ’ne Zeit lang nur neue Songs kommen, werde ich mal aufs Klo gehen“, sagt ein Besucher zum anderen, kurz bevor der Auftritt in der Columbiahalle beginnt. Einige Meter weiter wird eine Besucherin den gesamten Abend über damit beschäftigt sein, die Handyfotos, die sie von den Darbietungen der neuen Songs schießt, während der alten Lieder auszusuchen und online zu stellen.

Dass die Gäste des ersten der beiden Berlin-Konzerte dennoch „echte“ Fans sind, steht aber außer Frage. Schließlich waren die Auftritte – die ersten in der Hauptstadt seit fünf Jahren – innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Tatsächlich liegt in der Luft der Columbiahalle noch eine Spur jenes Hypes, den die Arctic Monkeys 2006 mit ihrem Debüt „Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not“ ausgelöst haben. Die Fans im Innenraum stehen derart dicht an dicht, dass sie Probleme haben, ihre Hände zum Klatschen zu heben, als der 32-jährige Frontmann Alex Turner, seine drei Bandkollegen und fünf Gastmusiker die Bühne betreten.

Wer vor allem auf die agilen Songs aus Anfangstagen gehofft hat, erlebt eine Enttäuschung: Nur der erste Hit „I Bet You Look Good On The Dancefloor“ schafft es aus der Frühphase der britischen Band ins Programm – in einer eher routinierten Fassung. Da kommt es Sänger, Songschreiber und Leadgitarrist Turner gelegen, dass er sich auf der gerade erschienenen Platte „Tranquility Base Hotel & Casino“ als ausgebrannter Bar-Musiker inszeniert. Dieses Image übernimmt er auch für die Bühne, mitsamt schulterlangem, nach hinten gekämmtem Haar, stoppeligem Bart und müden Augen. Wo die Show aufhört und wo er tatsächlich vom alten Songmaterial gelangweilt ist, bleibt angenehm offen.

Die Arctic Monkeys haben sich auf ihren sechs Alben immer weiter vom Indie- Rock entfernt, mit dem sie berühmt geworden sind. Über sehr amerikanischen Wüstenrock ging es hin zu einem eingängigen Mix aus Soul, R’n’B und Rock, dem sie in der Columbiahalle mit Songs wie „Do I Wanna Know“, „You Only Call Me When You’re High“ und „Snap Out Of It“ ausführlich Rechnung tragen. Auf ihrem aktuellen, sechsten Album sind sie nun bei einem üppigen Spät-60er-Sound angekommen, der Erinnerungen an Serge Gainsbourg, „Pet Sounds“ von den Beach Boys und Alex Turners Seitenprojekt The Last Shadow Puppets weckt.

Entsprechend tragen die Bandmitglieder Retro-Hemden. Der Frontmann hat sich für einen eng geschnittenen Anzug entschieden, mit ordentlich Schlag an den Waden. Sein Hemd knöpft er Song für Song weiter auf, während er die schmalen Hüften wiegt. Alex Turner singt dazu mit kraftvoller, leicht reibender Stimme seine pointierten Texte über einen imaginären Musiker, der sich durch den Erfolg vom sogenannten echten Leben entrückt findet – genau aus diesem echten Leben aber immer seine Inspiration gezogen hat.

Vier der subtil-schleppenden Songs von „Tranquility Base Hotel & Casino“ haben die Arctic Monkeys ins 90-minütige Programm gepackt. Ein Umstand, der dem Konzert wiederholt den Drive nimmt und die Tänze vor der Bühne zum Erliegen bringt, gleichzeitig aber vom Selbstbewusstsein einer Gruppe zeugt, die es sich leisten kann, viele ihrer alten Hits gar nicht zu spielen.

Die Arctic Monkeys dokumentieren souverän ihren Status als künstlerisch nach wie vor relevante Band – einer der wenigen, die den Indie-Boom der nuller Jahre überlebt hat und sich nun einer heterogenen Gefolgschaft gegenübersieht. Darunter eben auch solchen Fans, die die neuen Songs schon mal für einen Gang zur Toilette nutzen. Simon Rayß

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