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Kim Ki-duk bei der Pressekonferenz zu "Human, Space, Time and Human".
© Maurizio Gambarini/dpa

Regisseur Kim Ki-duk zu Missbrauchsvorwürfen: „Ich bedaure den Vorfall“

Der südkoreanische Regisseur Kim Ki-duk stellt sich der MeToo-Kritik, spricht über seinen neuen Film und das Gewalttrauma Koreas.

Am Ende bedankt sich Kim Ki-duk auch für die Fragen nach der Ohrfeige. Die Einladung des südkoreanischen Regisseurs und seines Films „Human, Space, Time, and Human“ ins Panorama hatte für Kritik gesorgt, wegen der Schauspielerin, die ihm körperliche und sexuelle Gewalt auf dem Set von „Moebius“ (2013) vorwirft, einschließlich vorab nicht vereinbarter Sexszenen, und wegen der Ohrfeige, die der 57-Jährige nicht bestreitet und im Dezember mit einer Geldstrafe von umgerechnet 3800 Euro bezahlte. Schließlich hatte Festivalchef Dieter Kosslick zugesichert, auf der Berlinale würden keine Arbeiten von Filmschaffenden gezeigt, die ein MeToo-Fehlverhalten zugegeben haben.

Wie von Panorama-Chefin Paz Lázaro angekündigt, stellte sich Kim Ki-duk am Samstag auf einer Pressekonferenz der Diskussion, vor der Weltpremiere von „Human, Space...“ im Zoo-Palast. „Ich bedaure den Vorfall“, sagt Kim Ki-duk. Er spricht freundlich, zugewandt, erweckt alles andere als den Eindruck eines Machos, der sich am Set als Diktator aufführt. Es steht Aussage gegen Aussage. Die Schauspielerin, die anonym bleiben will und die Dreharbeiten von „Moebius“ verließ, hat der Berlinale Scheinheiligkeit vorgeworfen und ihre Anschuldigung wiederholt. Am Donnerstag protestierten rund 140 Gruppierungen in Korea gegen den „roten Teppich“ für Kim Ki-duk. Auch wenn der Regisseur den Vorwurf der sexuellen Gewalt bestreitet, die Staatsanwaltschaft diese Anschuldigung mangels Beweisen fallen ließ und der Berufungsantrag der Schauspielerin inzwischen abgelehnt wurde.

Die MeToo-Debatte findet Kim Ki-duk wichtig

Es ist vier Jahre her, sagt Kim Ki-duk. Er habe versucht sich zu erinnern, es sei eine Probe gewesen, die anderen aus dem Team hätten sein Verhalten nicht als unangemessen empfunden. Er bestreite die Ohrfeige nicht, „die Staatsanwaltschaft sah sie als problematisch an. Ich erkenne das Urteil an, auch wenn ich nicht ganz einverstanden bin“. Die Schauspielerin und er hätten verschiedene Auffassungen von der Interpretation gehabt. Ob zur Interpretation der Rolle oder des Vorfalls, das wird wegen der Übersetzung aus dem Koreanischen nicht klar. Auch die Frage, ob er eine Ohrfeige zur Qualitätssteigerung einer Szene mitunter für nötig hält (so hatte Kim Ki-duk sein Verhalten in Korea begründet), bleibt unbeantwortet. Nicht, dass die Dolmetscher keine gute Arbeit leisteten. Aber das Problem unterschiedlicher Wortbedeutungen können sie kaum lösen. Kim Ki-Duk bedauert mehrfach die Ohrfeige, aber als ein Journalist nachfragt, ob sie ihm auch Leid tue, verneint er dies. Um wenig später zu sagen: „Wenn ich persönlich etwas falsch gemacht habe, werde ich dies bei meiner künftigen Arbeit bedenken.“

Die MeToo-Debatte findet Kim Ki-duk wichtig. Er hofft, dass die Filmindustrie sich verändert; respektvoller Umgang bei der Arbeit sollte selbstverständlich sein. Mina Fujii, die Hauptdarstellerin von „Human, Space..“ bestätigt, es habe eine angenehme Atmosphäre auf dem Set geherrscht, ihr Kollege Lee Sung-jae pflichtet ihr bei. Selbst wenn es verwunderlich klinge angesichts des Inhalts. Auch Kim Ki-duks neuer Film handelt von der Gewalt, die Menschen einander antun, wie sein gesamtes Werk.

Jang Keun-suk und Mina Fujii in Kim Ki-duks Film, der im Panorama läuft.
Jang Keun-suk und Mina Fujii in Kim Ki-duks Film, der im Panorama läuft.
© Kim Ki-duk Film

Eine Kreuzfahrt auf einem früheren Militärschiff, deren Passagiere einen sozialen Querschnitt bilden: ein Politiker mit Sohn, Hochzeitspaare, Gangster, Prostituierte, Teenager, ein einsamer alter Mann. Der Kapitän und die Crew werden rasch abgesetzt: Der Politiker übernimmt mit den Gangstern das Kommando, sie verüben Morde und Vergewaltigungen in Serie. Der Film kippt ins Fantastische: Plötzlich gleitet das Schiff nicht mehr über das Meer, sondern wie ein Flugzeug durch die Wolken. Die Nahrung wird knapp, ein brutaler Überlebenskampf beginnt, einschließlich Kannibalismus.

Männliche Macht zwischen Triebtäterschaft und Komplizentum

Homo homini lupus, mit extremer Brutalität, Fatalismus und einer Tendenz zum Parabelhaften: Auch in Filmen wie „Bin- jip“, „Samaritan Girl“ (Berlinale-Wettbewerb 2004) oder „Pietà“ (Goldener Löwe, Venedig 2012) inszeniert Kim Ki-duk die Gewalt als Ersatzhandlung von Außenseitern, die ihre Versehrtheit und ihre Sprachlosigkeit kompensieren, auch finden sich häufig misogyne Frauenbilder. Den weiblichen Figuren in „Human, Space...“ sind zwei Rollen zugedacht, die der raffinierten Hure im Minirock und die des Vergewaltigungsopfers im Keuschheitskleid, das am Ende Schutz bei einem seiner Peiniger sucht. Die Vergewaltigungen werden fast beiläufig inszeniert. Nie findet die Kamera einen Standpunkt, aus dem eine Distanz zur Tat zu lesen wäre. Mal nimmt sie den Blick eines Voyeurs ein, mal filmt sie den Übergriff exakt so wie den einvernehmlichen Sex, den eine Parallelmontage zeigt.

Gewiss will Kim Ki-duk in aller Drastik männliche Macht zwischen Triebtäterschaft und Komplizentum vorführen, aber seine Gewaltdarstellung ist diesmal problematisch. Im Pressegespräch betont er den Unterschied zwischen Realität und Fiktion und erläutert das doppelte Gewalttrauma seines Landes, den Koreakrieg und die japanische Kolonialherrschaft. Eine Erfahrung, die alle seine Filme grundiert. Bitte, ruft er zum Schluss, er versuche, ein guter Mensch zu sein. „Verwechseln Sie mich nicht mit meinen Filmen.“

Christiane Peitz

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