Kolumne "Ausgehen": Höflicher drängeln
Die neue Fan-Höflichkeit: Über rücksichtsvolle, freundliche und achtsame Menschen auf Popkonzerten.
Vor ein paar Wochen auf dem Konzert des Rappers Fatoni aus München: Bevor es losgeht im SO36, unterhalten sich zwei Männer über Fußball. Sagt der eine: „Ich schau ja jetzt manchmal Frauenfußball, Turbine Potsdam zum Beispiel.“ Sagt der andere: „Ah, Frauenfußball, ich will ja nichts sagen ...“ Unterbricht ihn der andere: „Dann sag’ einfach nichts.“ Stille, Themawechsel. Passt bestens zur derzeit laufenden Europameisterschaft in den Niederlanden, aber auch zur bemerkenswerten Fan-Höflichkeit auf diesem Konzert im Kreuzberger Traditionsclub. Obwohl es eng und ausverkauft war, gab es – halb links in der Mitte – keinen einzigen der aggressiven Drängler, die sich sonst immer rüde ihren Weg nach vorne bahnen, gern im Rudel.
Als kleine Person wird man von diesen Rüpel-Fans pro Konzert durchschnittlich zwei bis vier Mal zur Seite gerempelt. Deshalb war ich ganz irritiert, als mich in besagter Menge eine Hand sanft am Rücken berührte. Ich dachte schon, jemand, den ich kenne, möchte mich begrüßen. Es war aber nur eine lächelnde Frau, die vorbeigelassen werden wollte. Als wenig später auch noch ein junger Mann mitten im Geschiebe fragte, ob es in Ordnung sei, dass er halb vor mir stehe, war ich gänzlich verzückt: Wie angenehm, wenn sich ein Publikum zu benehmen weiß! Sicher hatte das damit zu tun, dass kein harter Straßenrapper, sondern ein freundlicher Linksrapper auftrat. Da verschwenden die Fans schon mal einen Gedanken ans Wohlergehen der Mitmenschen.
Rettung vorm Moshpit
Dass Freundlichkeit auf Popkonzerten jedoch auch genreunabhängig und altersübergreifend möglich ist, habe ich dann beim Roskilde-Festival in Dänemark erfahren, wo die Atmosphäre durchgängig rücksichtsvoll war. Einmal versuchte sogar eine betrunkene Dänin, die bemerkt hatte, wie ich vom Entstehen eines Moshpit überrascht wurde, mich vor der losspringenden Masse zu retten, indem sie mich in den Arm nahm. Natürlich wurden wir im Nu auseinandergerissen und ich hab’s auch gut überstanden. Aber es war wirklich sehr süß von ihr.
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