Neues Drama um das Berliner Ensemble: Hochhuth kündigt Mietvertrag mit dem Senat
Die Farce um das Berliner Ensemble erreicht eine neue Eskalationsstufe. Der Dramatiker Rolf Hochhuth, dessen Stiftung das Haus gehört, hat den Mietvertrag gekündigt. Er zürnt dem Intendanten Claus Peymann, weil der sein Stück "Der Stellvertreter" nicht auf den Spielplan setzt.
Man hätte es natürlich wissen müssen, denn es ist wie jedes Jahr. Die Sonne scheint (endlich), die Freibäder haben geöffnet. Das Theatertreffen ist vorbei, am Deutschen Theater laufen noch gemütlich die Autorentheatertage, ansonsten gondelt die Theatersaison mit beamtenhafter Ruhe ihrem Ende entgegen.
Man selbst ergoogelt gerade bei friedlichem Kindergeschrei vom Spielplatz die günstigsten Flüge in den Süden, da kommt der Sonntagsanruf. Der Redakteur holt Luft, dann sagt er nur ein Wort: „Hochhuth!“ Erschrockene Stille. Rolf Hochhuth. Verdienter Autor des Stückes „Der Stellvertreter“ über die unrühmliche Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus, das Anfang der sechziger Jahre Skandal machte. Hans-Filbingers-Rücktritt-Erzwinger in der Siebzigern. In diesem Jahrtausend aber vor allem als wütender Allesbeschimpfer und Sparringspartner von Claus Peymann in der sogenannten BE-Mietaffäre bekannt. Es ist Sommer! Die Rolf-Hochhuth-Festspiele! Wie konnte man die nur vergessen?
Man schwingt sich innerlich sofort aufs Fahrrad, um investigativ vors Berliner Ensemble zu fahren. Vielleicht hat sich Rolf Hochhuth wieder ans Tor gekettet, weil ihm Claus Peymann die Sommerbespielung des Berliner Ensembles untersagt hat? Oder er dreht 1914 wütende Fahrradrunden um die Büste von Bert Brecht, um Peymann zu zwingen, sein Stück „Sommer 1914“ aufzuführen, das Peymann selbst doch vor Ewigkeiten bei ihm in Auftrag gegeben hat? Oder Rolf Hochhuth steht einfach nur da und weint herzzerreißend, weil Claus Peymann ihm seine grüne Krawatte abgeschnitten hat?
Tausend Hochhuth-Festspielszenarien jagen einem durch den Kopf, sogar die völlig aberwitzige Vorstellung, dass Peymann und Hochhuth sich vertragen haben könnten und jetzt auf ihre alten Tage eine Art harmonische Theaterehe eingehen. Das wäre gar nicht abwegig. Denn die letzte BE-Premiere „Der Floh im Ohr“ unter der Regie von Philip Tiedemann war genauso unerträglich schlimmschlüpfrig und brachialzotig wie Hochhuths „Inselkomödie“, die er vor drei Jahren am BE herausbringen durfte.
Hochhuth! Was ist jetzt schon wieder passiert? Hochhuth hat den Mietvertrag mit dem Senat gekündigt. Und zwar fristlos.
Das ist allerdings der Hammer und treibt die jahrelange Farce auf eine neue Ebene. Denn bisher hat Rolf Hochhuth nur raunend damit gedroht. Rolf Hochhuth ist über die nach seiner Mutter genannte Ilse-Holzapfel-Stiftung Eigentümer der Immobilie des Theaters am Schiffbauerdamm, hat das Theater an den Senat vermietet, der es wiederum an Peymanns Berliner Ensemble untervermietet. Die Miete beträgt 214 000 Euro im Jahr. Das ist nicht sehr viel.
Dafür ist vertraglich festgelegt, dass Hochhuths Stück „Der Stellvertreter“ an drei Abenden im Oktober aufgeführt wird und er im Sommer das Haus selbst bespielen kann. Da dies wiederholt nicht möglich war, hat Rolf Hochhuth immer wieder eine Kündigung in Aussicht gestellt, wurde davon aber von seinem Anwalt Uwe Lehmann-Brauns davon abgehalten. Nun hat Hochhuth aber seinen Anwalt gewechselt und lässt sich von Markus Kerber vertreten. Der ist beim Senat gefürchtet. Kerber hat für seinen Mandanten Harald Wolf das Bundeskartellamt dazu gebracht, die Berliner Wasserpreise als zu hoch anzuprangern. Hochhuth liebt seine Rolle als ewiger Verlierer. Und gewinnt fast immer.
Kerber setzt, anders als der Kulturpolitiker Lehmann-Brauns, auf Eskalation und hat – wie die „Berliner Morgenpost“ meldet – dem Senat die Kündigung zustellen lassen, in der Klaus Wowereit dazu aufgefordert wird, „das Theater am Schiffbauerdamm geräumt und besenrein zu übergeben“.
Kerber spricht von einer „versuchten Enteignung“ seines Mandanten, da der Mietpreis nur wegen der vertraglich festgehaltenen Aufführungsrechte so niedrig sei. Die „kumulierten Verletzungen“ der Vertragspflichten mache eine Fortsetzung des Mietverhältnisses „unzumutbar“. Der Anwalt versucht den Konflikt von der Dauerquerele zwischen Peymann und Hochhuth weg zu einer mietrechtlichen Angelegenheit zwischen der Stiftung und dem Senat zu machen, der seinen Verpflichtungen nicht nachkomme beziehungsweise Claus Peymann nicht zwinge, Hochhuth ins Haus zu lassen. Das ist naheliegend und vielleicht sogar erfolgversprechend, aber natürlich stellt sich die Frage: Warum die Kündigung jetzt? Welche perfide Kränkung hat Claus Peymann Herrn Hochhuth dieses Mal zugefügt?
Anruf bei Rolf Hochhuth. Eine überaus freundliche Sekretärin sagt, dass Herr Hochhuth gerade einem Fernsehteam ein Interview gebe. Beim zweiten Versuch geht er selbst ran – und sagt mit leiser freundlicher Stimme, dass er ohne mitlaufendes Aufnahmegerät kein Wort sage außer: „Die Morgenpost sagt die Wahrheit.“ In der Zeitung steht, dass Hochhuth „der Kragen geplatzt sei“, als er einen Brief an Peymann persönlich übergeben wollte und die Pförtnerin ihm untersagte, mit dem Fahrstuhl ins Intendantenbüro zu fahren.
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