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Virtual Reality. Seit 13 Jahren täuscht eine Plastikplane die Fassade der Bauakademie vor. Ein Bild von 2017.
© Kai-Uwe Heinrich

Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie: Historische Rekonstruktion oder bloßes Konzept?

Die Bauakademie, Schinkels Meisterwerk, soll wiedererstehen. 62 Millionen Euro stehen im Bundeshaushalt bereit. Jetzt wurde eine Stiftung gegründet.

Vor zwei Wochen, verriet der Staatssekretär für Bau- und Wohnungswesen im Innenministerium, Gunther Adler, bei einer Veranstaltung der Akademie der Künste, habe er die Gründungsurkunde der Bundesstiftung Bauakademie notariell besiegelt. Im Frühjahr solle „sich der Stiftungsrat konstituieren“ und sodann den Vorstand bestellen. Und am Ende dieses Jahres soll der Realisierungswettbewerb für die Architektur des Gebäudes ausgelobt werden. Doch ob die Bauakademie wiedererstehen oder etwas gänzlich Neues, nur mit demselben Namen errichtet werden soll, das ist wohlweislich offengeblieben.

Es war die aus heiterem Himmel getroffene Entscheidung des Haushaltsausschusses des Bundestages Ende 2016, 62 Millionen Euro für einen Wiederaufbau bereitzustellen. Erst mit dieser von zwei Abgeordneten der Großen Koalition vorbereiteten Entscheidung kam Bewegung in die Sache. Mehrere Konzeptionsrunden wurden im folgenden Jahr vom federführenden Bundesbauministerium durchgeführt, mit allen potenziellen Interessenten, um herauszufinden, was im Konsens gebaut und wie es gefüllt werden könnte. Bei den Mammutrunden wurde am Ende genau jenes Konglomerat von Institutionen, Verbänden und Lobbyisten, von Ausstellungs- und Veranstaltungsflächen sowie Büros gefunden und gutgeheißen, das schon vor der ersten dieser Runden als kleinster gemeinsamer Nenner zu erkennen war.

Klarheit wurde jedoch nicht gewonnen darüber, was auf dem Grundstück entstehen soll, das vom Werderschen Markt und dem Kupfergraben begrenzt wird, schräg gegenüber dem Humboldt Forum. Einst stand hier die Allgemeine Bauschule, so ihr offizieller Name, für die sich aber die Bezeichnung „Bauakademie“ gehalten hat. Er ist der von der Institution auf das Gebäude übergegangen und bleibt für immer mit ihm verbunden.

Erste Machbarkeitsstudien bereits 1991

Dieses Gebäude entstand in den Jahren 1832-36 nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die Bauakademie einige Jahre nach Kriegsende mit ersten, zaghaften Wiederaufbaumaßnahmen gesichert, kurz darauf jedoch nach einem abrupten Schwenk der hauptstädtischen Planung der SED1962 abgerissen, um dem Neubau des DDR-Außenministeriums Platz zu machen.

Das ist hinlänglich bekannt; und ebenso geläufig, dass bald nach der Wiedervereinigung Berlins erste Gedanken aufkamen, den ob seines unverputzten Backsteins halb ehrfürchtig, halb abfällig so genannten „Roten Kasten“ wiederaufzubauen. Bereits 1991 wurden erste Machbarkeitsstudien angefertigt, als Ausdruck des in der Öffentlichkeit verbreiteten und im Unterschied zur damals auch schon diskutierten Schloss-Rekonstruktion unstrittigen Wunsches, gerade dieses Bauwerk wiedererstehen zu lassen.

Im Jahr 2002 schien es endlich konkret zu werden, nachdem sich die verschiedenen Sammlungen zur Architektur, die es in Berlin gibt, darauf geeinigt hatten, ein Architekturmuseum in der Hülle der Schinkelschen Akademie einzurichten. Bis zum Jahr 2006 sollte das Gebäude wiedererrichtet sein – wenn, ja wenn sich die geschätzten 80 bis 95 Millionen D-Mark Bausumme privatim auftreiben ließen, da sich das Land Berlin zu jedweder Mitfinanzierung außerstande sah.

„So viel Schinkel wie möglich“

Im Jahr 2000 wurde eine „Musterecke“ des Bauwerks aufgemauert, dazu kam 2004 die Fassadenrekonstruktion in bedruckter Plastikfolie, die nun schon so viele Jahre das Volumen des Gebäudes ausmisst. Eine Vorfestlegung auf die authentische Gestalt des Bauwerks ist damit jedoch nicht verbunden. „So viel Schinkel wie möglich“, wie die Protagonisten des Bundestagsbeschlusses als Leitlinie vorgaben, kann schließlich vieles heißen.

Es ist das Faszinierende an der Architektur des preußischen Baumeisters, dass sie den unterschiedlichsten Interpretationen offensteht. Bei der Veranstaltung in der Akademie hielt der Schweizer Kunsthistoriker und frühere Professor an der ETH Zürich, Kurt W. Forster, einen beeindruckenden Vortrag zur Bauakademie, zurückgehend auf sein jüngst vorgelegtes, in Englisch abgefasstes Buch „Schinkel. A Meander through his Life and Work“ (Birkhäuser Verlag, Basel 2018, 414 S., 49,95 €).

„Die Bauakademie“, heißt es dort, „sollte als ein Vorzeigeobjekt für die preußische Industrie betrachtet werden“, und zwar hinsichtlich der seinerzeit in Berlin dominierenden Zweige der Metall- und der Ziegelindustrie, die, wie Forster beobachtet, gemeinsam mit dem in Schinkels Gebäude ebenfalls großzügig verwendeten Glas auf ihren Entstehungsprozess im Feuer verweisen und damit auf „Berlins Schmieden und Schmelzöfen“.

Das Neue ist bei Schinkel nie voraussetzungslos

Das ist sicher richtig, war doch Schinkel eng mit dem preußischen, für Handel und Gewerbe zuständigen Staatsrat Peter Christian Wilhelm Beuth befreundet, der alles daransetzte, Preußens Industrie zu entwickeln. Mit Beuth unternahm Schinkel im  Jahr 1827 eine Reise nach England, die dazu diente, die neueste Architektur im Bereich der in Preußen noch unbekannten Fabriken kennenzulernen, zugleich aber auch, um Industriespionage zu betreiben.

Manchester mit seinen Tag und Nacht lodernden Essen und seinen unablässig laufenden Maschinen machte auf Schinkel ungeheuren Eindruck; die Briefe an seine Frau Susanne zeugen davon. Dass dieses Vorbild, anders als Forster meint, auf den Entwurf der rasterartigen Bauakademie eingewirkt hat, darf man für gewiss halten – so offen und neugierig, wie Schinkel in all seinen Arbeiten stets war.

Doch just zur Zeit der Errichtung des Akademiegebäudes schrieb Schinkel 1835 selbstkritisch: „Sehr bald gerieth ich in den Fehler der rein radicalen Abstraction, ich entwickelte die ganze Composition für ein bestimmtes Werk der Baukunst aus seinem nächsten trivialen Zweck allein und aus der Konstruction. In diesem Falle entstand etwas Trockenes, Starres, das der Freiheit ermangelte und zwei wesentliche Elemente, das Historische und das Poetische, ganz ausschloss (...).“

Das Historische und das Poetische, zum einen der Rückbezug zur Tradition der Architektur, die Schinkel kannte und beherrschte, zum anderen das Streben nach Schönheit in einem klassischen, an der Antike geschulten Sinn – das ist Schinkel. Ja, er hat auch geschrieben – und es ist nachgerade zu Tode zitiert worden –, „Überall ist man nur da wahrhaftig lebendig wo man Neues schafft“. Aber das Neue ist bei Schinkel nie voraussetzungslos, sondern durchdrungen von der Kenntnis der (Bau-)Geschichte.

Er starb 1841 in der Bauakademie

Nach und nach war Schinkel zum obersten Baubeamten des Königreichs Preußen aufgestiegen; 1838 erklomm er mit der Berufung zum Oberlandesbaudirektor auch offiziell die höchste Stufe, die er doch von Art und Umfang seiner rastlosen Tätigkeit längst ausfüllte. Schinkel hat sich nicht lange an seinem Rang und Titel erfreuen können. Nach einer seiner zunehmend längeren Kuren im September 1840 nach Berlin zurückgekehrt, erlitt er in der Nacht nach einem ersten, wie früher mit Begegnungen randvoll gefüllten Tag mehrere Schlaganfälle, von denen er sich nicht mehr erholte. Er starb, erst 60-jährig, am 9. Oktober 1841 in der Bauakademie.

Dort hatte er mit seiner Familie im zweiten Obergeschoss gelebt und gearbeitet, in einer großzügig geschnittenen Dienstwohnung. Sie wurde nach seinem Tod zur Aufnahme des alsbald so bezeichneten Schinkel-Museums bestimmt. Die Wirkungsgeschichte seines Bauwerks hat Schinkel nur in ihren ersten Anfängen noch verfolgen können. Auf den nüchternen Bau ging letztlich die gesamte Industriearchitektur zurück, die in Preußen entstand, aber auch die Architektur der öffentlichen Bauten. Aber es war Schinkel nicht nur um die äußere Erscheinung zu tun: In der Konstruktion ging er entschieden neue Wege, ja, er sah manches vor, zu dem die damaligen Unternehmen beispielsweise noch nicht das geeignete, gusseiserne Material liefern konnten.

Diesen Vorbildbau – als den ihn Schinkel, wie Forster betonte, ausdrücklich verstand – wiederzuerrichten, heißt, an die Tradition des Bauens so anzuknüpfen, wie Schinkel selbst es getan hat.

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