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Iván Fischer, Chefdirigent des Berliner Konzerthausorchesters.
© Marco Borggreve

Konzerthausorchester: Hinter Glass-Fassaden

Finale beim Festival USA: Das Konzerthausorchester und Iván Fischer mit Musik von John Coriglian, George Gershwin, John Adams und Philip Glass.

Tapfer hat das Konzerthaus sein USA-Festival fast zu Ende gebracht. Wer hätte bei der Planung auch ahnen können, dass Amerika mal so schlechte Laune machen würde? Eine unglücklichen Terminierung, in der auch eine Chance steckt, ja geradezu eine Verpflichtung: daran zu erinnern, dass das Land eigentlich meist Träume, nicht Alpträume generiert hat – was es hoffentlich irgendwann auch wieder tun wird. Blues und Swing beschallen das Foyer, der Duft von frischem Popcorn hängt in der Luft, gereicht von Uncle Sam persönlich. Wackere, rührende Versuche, gute Stimmung zu machen. Das Ergebnis ist eher Wehmut.

Das Konzerthausorchester soll sie vertreiben. Vier Komponisten, vier verschiedene Stilrichtungen stehen auf dem Programm. Ganz auf Wirkung und Effekt setzt Oscar-Gewinner John Corigliano in „Tournaments“: selbstbewusst eklektizistische Musik, die sich nicht lange mit Themenentwicklung aufhält, sondern unablässig Neues auffährt. Mit Elfenbeinturmklängen kommen amerikanische Komponisten nicht weit, was sie schreiben, muss immer auch gefallen, auch deshalb sind die Grenzen zur Filmmusik so osmotisch durchlässig.

Dejan Lazić: temperamentvoll und dennoch feingliedrig

Das Populäre und die Hochkultur: Einer der Ersten, der sie charmant und erfolgreich verschmolzen hat, war George Gershwin. In seiner „Rhapsody in Blue“ schimmern betörende Jazzsoli im Orchester, schon die einleitende Klarinette setzt Akzente, wie auch Pianist Dejan Lazić mit beherztem, temperamentvollem, dennoch feingliedrigem Spiel. Leider säuft er oft ab im Klangmeer des Tutti, das sich unter den Händen von Iván Fischer zu grimmiger Gewalt aufbauscht. Der Chefdirigent scheint mit der Brechstange an die Bedeutung dieser Musik erinnern zu wollen, anstatt sie frei und ungezwungen fließen zu lassen – schade.

Es ist verflixt: Zeigt das Orchester bei Gershwin zu viel an Feuer und Engagement, ist es bei John Adams zu wenig. Seine „Fearful Symmetries“ sind griffig und expressiv, über einem bedrohlich ostinaten Beat erheben sich Figurationen von symphonischer Fülle, garniert mit Popzitaten. Die Musiker aber scheinen mit dieser Musik zu fremdeln, spielen ohne Biss und Glauben. So wird ausgerechnet „Facades“ – in dem Philip Glass verarbeitet, was er im Kultfilm „Koyaanisqatsi“ nicht verwendete – zum am überzeugendsten interpretierten Stück des Abends. Die von manchen gehasste Minimal Music zeigt sich hier überraschend vielgestaltig, die tiefen Streicher des Orchesters schaffen eine hypnotische Klangfläche. Ein Konzert mit wenig Licht und viel Schatten. Aber das passt ja ganz gut zur Weltlage.

Mit einer Wiederholung des Konzerts endet das Festival diesen Sonntag (16 Uhr).

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