Doku "An den Ufern der heiligen Flüsse": Hindus und Hingabe
Die Indien-Doku „An den Ufern der heiligen Flüsse“.
„Wir Menschen sind nur Staub“, sagt Kishan. Doch nirgends sind die Staubkörner bunter, bewegter als auf der Kumbh Mela, die der zehnjährige, langsam zum Westentaschen-Philosophen reifende Ausreißer zum Abenteuerspielplatz erkoren hat.
Das alle zwölf Jahre stattfindende größte Pilgerfest der Welt ist ein spirituelles Spektakel, ein weltlicher Rummel und für jeden Gläubigen ein tiefreligiöser Gottesdienst. Kulturbeflissene Fernsehsender wie Arte oder die BBC haben dem hinduistischen Großereignis am Zusammenfluss der Ströme Ganges, Yamuna und dem unsichtbaren, mythischen Saraswati mehrfach staunenmachende Dokumentationen gewidmet.
Nun zeigt der Inder und Hindu Pan Nalin, der sich in Spielfilmen („Samsara“) wie Dokumentationen schon häufiger mit der Kraft des Glaubens befasst hat, seine fast zweistündige Nahaufnahme des großen Gewimmels. Und siehe da – Palin betätigt sich trotz der Schönheit und Kraft der von ihm und zwei Kameraleuten eingefangenen Bilder weder als Ausbeuter des Exotikfaktors noch als durchgeistigter Überhöher des religiösen Festes. Was ihn interessiert, ist nicht die Inszenierung der 55 Tage währenden Kumbh Mela, sondern die Geschichten und der Alltag der Protagonisten, die besitzlose Asketen, Kinder, Polizisten sind. Ungebrochene religiöse Hingabe sei nur noch bei Armen zu finden, glaubt Nalin. Unter den 80 bis 100 Millionen Menschen, die die staatlich organisierte Zeltstadt von 55 Quadratkilometern bevölkern, sind viele zu finden. Viele von ihnen sind Analphabeten, was die gerne dokumentierte Arbeit der Vermisstenstelle, die 2013 nach 25 Tagen bereits 135 000 Menschen suchte, nicht einfacher macht.
Der schlaue Kishan, der sich als Waise ausgibt, der eine Woche lang verschwundene zweijährige Sandeep und Bajrangi, ein ausgesetztes Kleinkind, das von Hatha Yogi Baba, einem heiligen Sadhu, aufgezogen wird, berühren. Sie zentrieren und individualisieren die Masse der Gesichter. Die rituellen Bäder, die aschgrauen nackten Naga Babas oder die farbenprächtigen Prozessionen der Akharas, der religiösen Orden, werden Beiwerk. Das nimmt der Kumbh Mela – gerade auch in westlichen Augen – die rein folkloristische Faszination. Schade nur, dass Nalins meist unkommentierte Filmerzählung dann doch im dramaturgischen Nirwana verwabert.
OmU in der Kinos: Kino in der Kulturbrauerei, Filmkunst 66
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