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Kultur: Irdische Weihe

Erleuchtung oder Eheleben: Pan Nalins Film „Samsara“

Vexierbilder zeigen kopulierende Paare. Eine kleine Positionsveränderung genügt, und die gezeichneten Sinneslüstlinge verwandeln sich in fleischlose Knochengestelle. Ein alter Mönch zeigt dem jungen Novizen Tashi diese Bilder in einer Einsiedelei hoch auf dem Berg. Tantrische Initiation? Memento mori? Tashi versteht’s auf seine Weise, heiratet und tritt aus dem Kloster aus.

Askese und Sinneslust, Erleuchtung und Erdenleben. Das Samsara bezeichnet in der buddhistischen Philosophie den Kreislauf des Lebens und der Wiedergeburten. In Pan Nalins gleichnamigem Film spielt der Kampf zweier Lebensweisen seinem Helden schwer mit. Eigentlich ist Tashis Leben der Erleuchtung geweiht. Drei Jahre hat der Mönch meditiert, jetzt werden seine Lebenskräfte von den Ordensbrüdern wiedererweckt. Doch es regt sich mehr, als es sollte. Erst in nächtlichen Fantasien, dann läuft ihm die Verführung leibhaftig über den Weg. Die wahren Prüfungen beginnen erst später – nach Beginn des irdischen Ehelebens.

Nalin erzählt schnörkellos, als sei’s eine Heiligenlegende; der gemessene Rhythmus entwickelt mitunter eine fast schwebende Qualität. Doch wie sein Held stolpert auch der Regisseur über den Reiz des allzu naheliegend Schönen – und der Darstellung der Leidenschaften. Lächerlich auf den Höhepunkt getrieben wird das, als Tashi von einer Landarbeiterin mit einer Liebestechnik zum Ehebruch bewegt wird, die im Kamasutra als „Mühle“ bezeichnet und mithilfe eines Deckenbalkens und des zur Schnur gewundenen Sari praktiziert wird. Buddhaseidank naht Ehefrau Pema im rechten Moment.

Bleibt die grandiose Landschaft des nordindischen Ladakh, die von Kameramann Rali Raltchev in prachtvolle Breitwandbilder verwandelt wird. Gewaltige Felsmassive, steinerne Wüsten; im fruchtbaren Tal gehen die Menschen fröhlich der Feldarbeit nach wie auf den bunten Plakaten der Mao-Zeit. Schön sieht das aus, zu schön. Dabei bürgt der indische Regisseur Pan Nalin eigentlich für Authentizität. Sechs Dokumentarfilme hat er bisher gedreht, darunter „Ayurveda – Art of Being“ (2001). Alle beschäftigen sich mit Fragen der Spiritualität, drei Monate hat er selbst im Ladakh als Einsiedler gelebt. „Samsara“ ist sein erster Spielfilm, der erste Spielfilm überhaupt, der in der unwirtlichen und von Grenzkriegen gebeutelten nordindischen Bergregion gedreht wurde. Doch während für die Nebenrollen unter den Bewohnern der umliegenden Täler gecastet wurde, wurden die drei Hauptrollen allesamt an Profis vergeben: an Shawn Ku (Tashi), einen New Yorker Tänzer, an Christy Chung (Ehefrau Pema), eine ehemalige Schönheitsqueen aus Montreal und Hongkong, und an Neelesha Bavora, die aus Berlin kommt. Ihren Gesichtern ist die urbane Sozialisierung anzusehen, auch wenn der Regisseur sie mit Yoga-Kursen und Zen-Seminaren auf Erleuchtung getrimmt hat. Die einheimischen Laiendarsteller wurden derweil zum Acting-Workshop geschickt: ein cross-kulturelles Einsatz-Training, das bestimmt zum erhellenden Filmstoff getaugt hätte. Vielleicht gibt es ja bald ein „Making Of"? Silvia Hallensleben

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