Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen: Himmlische Hänge
In unserer Sommerserie stellen wir die schönste Kunst-Ziele in Deutschland vor. Teil 2: Bamberg, ein Mekka für Antiquitätensammler. Und die Stadt wirkt mit an der perfekten Kulisse.
Alle schauen nach Berlin – wir meistens auch. Dabei finden sich abseits der Metropole viele sehenswerte Ausstellungen und Kunstprojekte. Manche davon stehen als Solitäre für sich, andere krempeln das Bild einer ganzen Stadt um. In unserer Sommerserie stellen wir lohnenswerte Ziele in Deutschland vor.
Für Kunstfreunde lohnt eine Reise nach Bamberg immer. Fast fünfzig Kirchen, eine wunderbare Mischung aus mittelalterlicher und barocker Architektur, ein Rathaus im Wasser – und alles auf sieben Hügeln. Doch die fränkische Kaiserstadt macht nicht nur ihrem Status als Weltkulturerbe alle Ehre. „Das ist eine Stadt, die steckt voll Raritäten, wie die Commode meiner alten Großmama, die viel zusammenscharrte“, notierte der Schriftsteller Karl Immermann in seinen Reiseaufzeichnungen von 1837. Eine Beobachtung, die sich bestätigt, wenn man in die vielen Antiquitätengeschäfte unterhalb des Dombergs blickt.
Dass der Handel mit den antiken Preziosen gerade in der kleinen Stadt in Oberfranken so floriert, geht auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. In Bamberg waren damals Amerikaner stationiert. Sie zählten zu den wenigen in Deutschland, die sich die Kostbarkeiten überhaupt leisten konnten. Historische Objekte wie diese waren in der Heimat nicht zu bekommen, daher versuchten sie, möglichst viel davon mit nach Hause zu bringen. Ausgesprochen gefragt waren alte Uhren. Und weil die Geschäfte so gut liefen, gesellten sich immer mehr Kunsthändler zu den Kollegen und eröffneten ihren Kunsthandel.
Während der Festspielzeit rollen Busse von Interessierten an
Fokussiert geht es in den kommenden Wochen zu. Bis Mitte August veranstalten die ansässigen Händler ihre Kunst- und Antiquitätenwochen – und präsentieren außergewöhnliche Objekte in ihren Geschäften. Im Sommer wird Bamberg deshalb zuverlässig von europäischen Sammlern bereist. Aus dem benachbarten Bayreuth, wo just die Festspiele stattfinden, rollen Busse von Interessierten an, um die Antiquitäten zu begutachten. Einmalig ist bis heute die Zusammenarbeit der wichtigsten zwölf Akteure – das „Bamberger Modell“, wie der Wiener Kunsthändler Patrick Kovacs den Zusammenhalt nennt: Wird ein Kunde nicht fündig, so empfiehlt man ihm einen Kollegen, der das gesuchte Bild oder antike Möbel im Angebot haben könnte.
Anlässlich der Kunstwochen findet ein breites Programm auf dem Domberg statt. Eine von vielen Touren widmet sich den Textilien des Kaiserpaares Heinrich und Kunigunde. Der blaue Sternenmantel des Kaisers im Diözesanmuseum zeigt das Weltbild des elften Jahrhunderts. Im Dom selbst sind das Riemenschneider-Grabmal für Heinrich und Kunigunde, der Veit-Stoß-Altar und der berühmte Bamberger Reiter zu bewundern, von dem man bis heute rätselt, wen er darstellen soll.
Schöne Skulpturen beim Kunsthändler Walter Senger
Skulpturen haben es den Bambergern generell angetan. Die schönsten sind beim Kunsthändler Walter Senger im gotischen Gewölbekeller aufgestellt. Darunter ist diesmal eine Heilige Barbara mit feinen Gesichtszügen. Die in Lindenholz geschnitzte Arbeit aus Schwaben, um 1480 entstanden, ist noch in der originalen Fassung erhalten. Bei dem Traditionsgeschäft, das auch Kunsthandwerk des 17. und 18. Jahrhunderts und Gemälde im Angebot hat, handelt es sich um einen fränkischen Familienbetrieb mit fast einem halben Jahrhundert Geschichte. Als 25-Jähriger gründete Senger seinen Handel als Einzelkämpfer, später stiegen Schwiegersohn Thomas Herzog und Tochter Simone Senger-Kundmüller mit ein. Und immer öfter hält mit Alfons Walde und Co. auch die Moderne Einzug in die Geschäfte, die mittlerweile von einem auf drei Adressen angewachsen sind.
Nur das Haus Wenzel ist noch älter. Matthias Wenzel übernahm das Geschäft von seinem Vater, der es vor rund sechs Jahrzehnten in einem Adelspalais aus dem 15. Jahrhundert eröffnete. Seit 1977 befindet sich die Kunsthandlung im Barockpalais Freyhaus und bietet Möbel des 17. bis 19. Jahrhunderts, gotische Skulpturen und Gemälde alter Meister.
Stipendiaten der Villa Concordia stellen in den Kunsthandlungen aus.
Mehrere Skulpturen-Ausstellungen im öffentlichen Raum haben aber auch in der heutigen Stadt ihre Spuren hinterlassen. Von Fernando Botero, Igor Mitoraj, Markus Lüpertz und anderen Künstlern kaufte die Stadt Werke an. Schließlich entdeckt man in den Antiquitätengeschäften hin und wieder auch eine zeitgenössische Arbeit, denn die Kunsthändler stellen während der Antiquitätenwochen Werke der Stipendiaten des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia aus. Die Institution beherbergt jährlich sechs deutsche und ausländische Stipendiaten, zu denen diesmal Michele Di Menna, Alond Kut, Andreas Feist und Stefan Eberstadt gehören, der mit seinem „Bamberger Hocker“, einem kantigen Sitz aus Stahlblech, bei Von Seckendorff vertreten ist.
Gregor Freiherr von Seckendorff (30) gehört zu den jungen Händlern, die sich in den vergangenen Jahren an die Seite der Alteingesessenen stellten. Er hat Gemälde, Möbel und Kunsthandwerk des 18. und frühen 19. Jahrhunderts im Repertoire. Auch Julian Schmitz-Avila brachte frischen Wind mit: Der 27-Jährige bietet im Ostheim’schen Palais, einem architektonischen Highlight mit barockem Treppenhaus, +el von höfischer Herkunft an. Darunter ist eine Rokoko-Kommode in Nussbaum, Nusswurzel und Ahorn. Sie entstand 1770/75 in München für das Neue Schloss Schleißheim. Die Beschläge der zwei Schübe sind nach dem Entwurf des flämischen Bildhauers Willem de Groof gefertigt, der damals am Münchner Hof tätig war.
Die Prunk- und Wohnräume der Fürstbischöfe
Auf solche Möbel trifft man in Bamberg auch in den Prunk- und Wohnräumen der Fürstbischöfe in der Neuen Residenz. Oder in der Staatsgalerie: Das barocke Gebäude mit seltenen Werken etwa von Johann Michael Bretschneider wurde im vergangenen Jahr renoviert, dazu hat man ihr eine neue, barocke Hängung verpasst. Auch wenn hier viel zu erneuern wäre, ist es ein Anfang. Vom Rosengarten hinter der Residenz hat man einen weiten Blick über die Stadt und das ehemalige Benediktinerkloster St. Michael. Die Kirche mit dem „Himmelsgarten“, dem prächtigen Deckenfresko mit 578 Heilpflanzen, ist momentan wegen Sanierungsarbeiten geschlossen.
An den Hängen darunter wird wieder Wein angebaut. Berühmter aber als für den Rebensaft ist Bamberg für sein Bier. Und das schmeckt bei lauen Temperaturen nirgends besser als „auf“ den Kellern: In den Sandsteingewölben der Hügel ließen die Bierbrauer ursprünglich ihr Gebräu reifen. Heute sitzt man darauf, und Kellersaison ist in Bamberg, dessen älteste Brauerei 1333 das erste Mal urkundlich erwähnt wurde, eigentlich immer. Dass Bier ein äußerst nahrhaftes Getränk ist, darüber waren sich schon damals Kirche und Bürger überraschend einig.
Das war nicht in jeder Hinsicht so. Das schönste Symbol für Konflikte zwischen Bürgern und Bischof ist das Brückenrathaus. Dieser wollte den Bürgern für die Errichtung eines Rathauses angeblich nichts von seinem Grund abgeben. Daraufhin wurde das Gebäude mitten in die Regnitz gesetzt, die als Herrschaftsgrenze zwischen dem bischöflichen Berg und der bürgerlichen Inselstadt galt.
Der Bamberger Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn wiederum war vom „Bauwurm“ befallen und wollte die mittelalterliche Stadt in eine barocke Residenz verwandeln. Es wurden neue Häuser geschaffen oder Holzhäuser mit Fassaden verblendet. Der Winkeligkeit der Gassen konnte das jedoch nichts anhaben, bis heute verwirren sie Besucher. Die großen Schaufenster des Kunsthandels unterhalb des Doms wird man allerdings nicht verpassen. Denn aus Ihnen strahlen die Antiquitäten-Schätze.
www.bamberger-antiquitaeten.de
Susanne Lux
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