zum Hauptinhalt
Bamberg macht was her. Auch das Alte Rathaus an der Oberen Brücke ist schmuck.
© imago/Torsten Becker

Fränkische Schweiz: Die nächsten Zinnen sieht man schon

Gemütlich auf der Burgenstraße: im Wohnmobil durch die Fränkische Schweiz.

Sollte es auf dem fränkischen Campingplatz Pottenstein zu Beziehungskrisen kommen, dann wäre die Bushaltestelle mit Direktverbindung nach Berlin ZOB nur ein paar Schritte entfernt. Hier fährt täglich ein Berlinlinien-Bus, hält direkt unter den Karstfelsen im Ortsteil Tüchersberg und holt oder bringt Gäste der Fränkischen Schweiz – eine dieser kerndeutschen Landschaften, deren Inkarnation Tüchersberg sein könnte.

Wenige Häuser, meist im Mittelalter erbaut, werden von zwei Felsen überragt. Sie recken sich steil über ein Bachtal und sind nicht breiter als die dreigeschossigen Fachwerkhäuser, die an den Fels genagelt zu sein scheinen. Durchs Tal klemmt sich die Puttlach, begleitet von der Straße nach Pottenstein. Rechter Hand, umkreist von ein paar Zelten, parken knapp 20 Wohnmobile.

Bei Wohnmobilisten ist der Campingplatz beliebt, weil er erstens – zwischen Berg und tiefem, tiefem Tal – mitten in der Sehnsuchtslandschaft „Fränkische Schweiz“ liegt. Und zweitens an der sogenannten Burgenstraße, die als touristische Route auf knapp 1200 Kilometern das rheinpfälzische Mannheim mit der tschechischen Hauptstadt Prag verbindet und an rund 90 Burgen oder Schlössern vorbeiführt, aber auch durch die Weinberge des Neckartals und Frankens.

Eigentlich ist die Besenwirtschaft des Weinguts Bauer in Heilbronn erst im September in Betrieb, aber für Weinfeste unterm Großzelt ist die Zeit immer reif, also für kollektives Verkosten von Schwarzriesling oder Trollinger. Nebenan wird Flammkuchen angeboten, Handvesper oder Wurstsalat, aber auch Siedfleisch und Schälripple. Der Weg zurück zum Heilbronner Stellplatz für die Wohnmobile am Wertwiesenpark ist nicht weit, und wer frühmorgens genügend Lust aufbringt, kann im benachbarten Freibad ein paar Bahnen schwimmen.

Auf Burg Guttenberg führt ein Falkner regelmäßig Greifvögel vor

Eines der Bauwerke, die an der Burgenstraße Pate stehen, ist die Burg Guttenberg über dem Neckartal nördlich von Heilbronn. Die Burganlage aus dem 12. Jahrhundert ist in Privatbesitz und wird heute von Bernolph von Gemmingen-Guttenberg bewohnt und bewirtschaftet. Der Freiherr, im Zivilberuf Holzhändler und Unternehmensberater, führt durch die Burg und erzählt dabei von der weitverzweigten Adelsfamilie derer von Gemmingen-Guttenberg, die sich zu einem eingetragenen Verein zusammengeschlossen hat, inklusive Vereinsvorstand.

Vom Bergfried der Burg hat man einen weiten Blick auf die sanfthügelige Landschaft mit Fluss und Burg(ruinen). Auf halber Strecke ist, dicht an den Neckar geschmiegt, der Ort Hassmersheim auszumachen und eine Fabrikationshalle mit Holzmustern, die darauf hinweisen, dass es dem bürgerlichen Geschäft des adligen Burgbesitzers gut geht. Direkt unter uns schauen wir auf ein neu gezimmertes Plateau mit Bankreihen für ein paar Dutzend Besucher. Der breitkrempig behütete Falkner Stefan Rebscher führt hier regelmäßig Greifvögel vor, die in der Deutschen Greifenwarte gezüchtet, gehalten und abgerichtet werden.

Im 19. Jahrhundert beherbergte Burg Guttenberg für eine Weile den Märchendichter Wilhelm Hauff, der in seiner Novelle „Das Bild des Kaisers“ die Burg Guttenberg beschrieb. Nicht überliefert ist, ob er von der Holzbibliothek angetan war – eine der weltweit seltenen Sammlungen von Hölzern und Baumteilen, die in Form von Büchern gestaltet und zu einer Bibliothek aufgereiht sind. Den Buchumschlag bilden Baumrinnen, im aufgeklappten Innern werden getrocknete Samen, Blätter, Zweige und Früchte museal präsentiert.

Lokalpatriotismus – dein Name ist Erwin Seitz

Entlang der deutschen Burgenstraße befinden sich rund 25 Camping- oder Wohnmobilstellplätze, die meistens nur Wasser und Strom bieten, dafür aber günstig im Preis und stadtnah in der Lage sind – also perfekt für Wohnmobilisten, die dem Prinzip „heute hier, morgen dort“ huldigen und nicht lange verweilen möchten. Der Stellplatz in Wolframs-Eschenbach ist dafür exemplarisch. Er ist nur wenige Gehminuten von der nächsten Bäckerei entfernt. Zwischen dem Parkplatz für Wohnmobile und dem kleinen Stadtkern, der zuletzt von einem Storchenpaar bewacht wurde, sind es gerade 400 Meter.

Das Städtchen, in dem der Parzivaldichter Wolfram von Eschenbach um die 13. Jahrhundertwende gelebt haben soll, ist von einer Stadtmauer umgürtet, die sich mal zu haushohen Toren formiert und mal zu mannshohem Mauerwerk. Der Wolframs-Eschenbacher neigt zur spöttischen Geste – auf einer Hauswand an der Stadtmauer wird festgehalten, wie eine Prozession um 1220 durchs Land zieht, angeführt von einem geharnischten Deutschordensritter. Am Rande, hinter einem Busch versteckt, kommentiert ein Zeitgenosse den frommen Pilgerzug, indem er sein entblößtes Hinterteil offenbart und sich dazu eins grinst.

Einen Steinwurf stadteinwärts hallen laute Stimmen von den Häuserwänden wider. Ortsansässige Amateurschauspieler probieren sich durch den „Räuber Hotzenplotz“. Regie führt Erwin Seitz, der auch sonst immer dann in Erscheinung tritt, wenn es um Geschichte, Kultur und Selbstverständnis des kleinen Gemeinwesens geht. Lokalpatriotismus – dein Name ist Erwin Seitz. Das Stück für Kinder und Erwachsene, das er inszeniert, wird Ende Juli unter freiem Himmel aufgeführt. Wolframs-Eschenbach selbst wird die Kulisse für die Räuberpistole abgeben, die hier schon einmal fürs Kino verfilmt wurde. Solche „Locations“ – Fachwerk! Stadtmauern! Türme! Zinnen! – werden wohl nie aus der Mode kommen. Regelmäßig sind Open-Air-Konzerte ausverkauft, die unterhalb der Burg Abenberg unweit der fränkischen Stadt Roth angeboten werden. Dort gastiert am 18. Juli die umschwärmte Rockformation „Unheilig“.

Auf dem Domplatz nutzt wirbt ein Sängerpaar für die Bamberger Sommeroper 2015

Der Anstieg zur Burg Abenberg ist schon deswegen fast unbeschwerlich, weil es unterwegs viel zu sehen gibt, etwa diesen Bauerngarten, der aufs Üppigste mit Blumen, Kräutern, Obst und Gemüse gesegnet ist. An der Hausfassade, in all den Jahrhunderten immer wieder neu überputzt, wuchert Wein hoch, scheint das Fenster mit den Läden in einen blättrigen Zangengriff zu nehmen. Nebenan macht sich eine alte Dame an der Haustreppe zu schaffen. Vielleicht ist ja Kehrwoche. Oben auf der Burg Abenberg schenken wir uns das Klöppelmuseum zugunsten eines Blicks über das Städtchen ins Tal bis zu den Frankenhöhen.

Dicht an dicht reihen sich unten im Ort Abenberg die rötlich gedeckten Häuser – manche werden gerade von der grünen Kraft der Natur bemoost und zurückerobert – um die Pfarrkirche St. Jakobus, die an einem Jakobsweg liegt.

Wir kutschieren weiter, im gemächlichen Land- und Burgenstraßentempo an Nürnberg vorbei in Richtung Bamberg. Oben auf dem Domplatz nutzt ein Sängerpaar die Neugier des Publikums, um in einem schmetternden Zauberflöten-Duett schon jetzt für die Bamberger Sommeroper 2015 zu werben. Der Platz ist auch deswegen so gut besucht, weil er in drei zentrale Richtungen führt – in den Dom, in den Rosengarten und zurück in die Altstadt. Im Dom bezaubert ein sandsteinerner Engel. Unterm Lockenkopf grinst das heitere Wesen so, dass seine Pausbacken Grübchen bilden.

Durch den prachtvollen Rosengarten am Rande der Residenz gehen wir durch exakt gewinkelte Beete auf die Balustrade zu, von der die Altstadt Bamberg, überragt von der St.-Michaels-Klosterkirche, wie in einem Panoramaspiegel zu betrachten ist. Unter uns sind die Dächer und Fassaden jener traditionsreichen Privatbrauereien und Braugaststätten auszumachen, die der Bierstadt Bamberg ihren Namen gegeben haben und auch uns mit Erfolg zu sich locken.

Zur Startseite