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Noch unverpackt. Die Stelen der Cozumalhuapa-Kultur im Ethnologischen Museum in Dahlem.
© Thilo Rückeis

Museen schließen: Heute ist Schluss in Dahlem

Letzte Gelegenheit zum Besuch: Nach diesem Wochenende schließt der Museumsstandort im Südwesten Berlins endgültig. Gibt es Perspektiven für die Bauten von Fritz Bornemann?

Dahlems Tage sind gezählt. Und zwar bis Montag, dann schließt Berlins Museumsstandort im Südwesten der Stadt, wäre da nicht noch das Museum Europäischer Kulturen, das als letztes die Stellung hält. Auf das Museum für Asiatische Kunst und das Ethnologische Museum aber wartet ab 2019 die große Zukunft in Mitte, mit dem Humboldt-Forum als neuer Heimstatt. Bis Sonntag will Dahlem es noch einmal wissen und lädt mit verlängerten Öffnungszeiten bis 20 Uhr, Touren und Veranstaltungen zum Abschiednehmen ein. Seit Wochenbeginn hat das Publikumsinteresse bereits merklich angezogen. Ähnlich wie vor einem Jahr, als die legendären Südseeboote, an die sich viele Berliner seit Kindertagen erinnern, zum letzten Mal bestiegen werden durften und dann den Blicken entzogen wurden, könnten sich wieder Warteschlangen vor dem Haupteingang an der Lansstraße bilden. Das würde sich gut in der Statistik machen, denn die Publikumszahlen in Dahlem wurden zunehmend zum Desaster: Von den 569 000 Besuchern im Wendejahr kam 2016 nicht einmal mehr ein Viertel.

Eine Berliner Institution geht dahin. Mitleid muss man nicht mit ihr haben, so traurig wie die verbliebenen Restausstellungen aussehen. Man spürt, hier ist den Machern schon lange die Luft ausgegangen, auch wenn erst vor sechs Jahren die Abteilung „Welten der Muslime“ eröffnet wurde. Den Kuratoren war aufgefallen, dass dieser Komplex doch größere Bedeutung für die Gegenwart besitzt, als dass sich nur das Museum für Islamische Kunst auf der Museumsinsel in Mitte den Archäologica der Region widmen darf. So erhielt Dahlems Dämmerung einen kleinen Sonnenaufgang im Zeichen des Halbmonds, obwohl seit der Jahrtausendwende die Nacht absehbar war.

Eigener Komplex für alle vier Erdteile

Sentimentalität mag befallen, wer nun noch einmal durch die Säle schlendert. Eine Ära endet, die vor fast genau 100 Jahren begann. 1914 wurde für den Bruno-Paul-Bau der Grundstein gelegt, mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kamen die Arbeiten zum Erliegen, nicht einmal das Dach war gedeckt. Das überfüllte Völkerkundemuseum an der heutigen Stresemannstraße brauchte dringend Platz für seine überbordenden Vitrinen, denn die sich gerade etablierende Wissenschaft Ethnologie, die durch Expeditionen der Kolonialmacht Deutschland hereingespülten Exponate hatten dem Haus einen Boom beschert.

Unter dem Museumsgeneral Wilhelm von Bode wurden die Baupläne für Dahlem zunächst noch im großen Stil gedacht. Alle vier Erdteile sollten auf dem billigen Grund im Südwesten Berlins, wo noch die Felder und Wiesen grünten, einen eigenen Komplex erhalten. Auch die Freie Universität ergriff die Gelegenheit, ihren Campus zu gründen. Das Unternehmen geriet bereits mit Asien durch die Weltwirtschaftskrise ins Stocken, nur die Hälfte des ersten Viertels des Megaprojekts wurde realisiert. Eine Reliefkopie aus Angkor Wat über dem Eingang an der Arnimallee erinnert noch an den ursprünglichen Plan.

Schon wieder in die S-Bahn nach Dahlem

In den Zwischenkriegsjahren wurde hier das Depot für das Völkerkundemuseum untergebracht, das Stammhaus aber blieb im Zentrum der Stadt erhalten. Mitte war damals schon angesagter. In den Akten lässt sich noch heute mancher Stoßseufzer der Kuratoren nachlesen: „Muss mich schon wieder in die S-Bahn nach Dahlem setzen.“ Die Zweiteilung zwischen dem Schaufenster im Zentrum und dem Depot an der Peripherie und damit das Stöhnen über die Hin- und Herfahrerei wird sich nun mit dem Humboldt-Forum wiederholen. Für Stauraum fehlt im wiedererbauten Stadtschloss schlicht der Platz. Um wie das Musée Quai Branly in Paris dafür in die Tiefe zu gehen, ist der Untergrund in Berlins Mitte nicht gemacht.

Richard Haas, stellvertretender Direktor des Ethnologischen Museums
Richard Haas, stellvertretender Direktor des Ethnologischen Museums
© Thilo Rückeis

Weil sich die Pläne für ein Großmagazin in Friedrichshagen verflüchtigt haben, weil die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Pergamonmuseum und seiner Kostenexplosion sowie dem neuen Museum der Moderne am Kulturforum genug zu stemmen hat, ist plötzlich auch Dahlem wieder ins Spiel gekommen, für das es lange Zeit keine neue Funktion zu geben schien. Zuvor hatten sich angesichts der drohenden Ödnis beunruhigte Bezirksvertreter aus Steglitz-Zehlendorf mehrfach durch die Räume führen lassen und mal die Aussichten für ein Heimat-, mal für ein Architekturmuseum geprüft.

Auch die benachbarte Freie Universität bekundete Interesse, um im Bornemann-Bau an der Lansstraße ihre bislang in Charlottenburg untergebrachte Abgusssammlung näher zu den Archäologen und Kunsthistorikern zu rücken. Das wäre auch für das im Bruno-Paul-Bau verbliebene Museum der Europäischen Kulturen eine Lösung, denn damit bliebe der nächste Zugang zur U-Bahn geöffnet, den Weg um den Gesamtkomplex herum würde kaum noch jemand finden.

Das Museum wird reisefertige gemacht

Die Zeichen verdichten sich, dass der ehemaligen Museumscluster Dahlem zum Wissenschaftsstandort mutiert, denn die ursprünglich ebenfalls für den Umzug ins Humboldt-Forum vorgesehene Bibliothek des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst bleibt nun doch an ihrem ursprünglichen Standort. Dies ist eine Folge der Intervention des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, der die Landesbibliothek aus der Planung für das Stadtschloss wieder hinausbefördert hat, um dem Stadtmuseum mehr Platz zu verschaffen. Neil McGregor schickte daraufhin seinerseits die Museumsbibliothek hinterher, um die Humboldt-Brüder auf der verbliebenen Fläche mit einer sogenannten Akademie zu würdigen. Damit blieben in Dahlem der Großteil der Sammlungen – wenn auch im Depot für die Öffentlichkeit nicht zugänglich – und die Literatur beisammen. So manchem Forscher käme das entgegen.

Lichtdurchflutet. Der Saal mit Objekten der meso-amerikanischen Archäologie strahlt unverändert wie in den 70ern.
Lichtdurchflutet. Der Saal mit Objekten der meso-amerikanischen Archäologie strahlt unverändert wie in den 70ern.
©  Thilo Rückeis

Zunächst aber schließen sich in Dahlem die Türen. Dort, wo im lichtdurchfluteten Saal bemalte Tongefäße, steinerne Götterfiguren und Maya-Stelen aus Mittelamerika noch stehen, wird der Platz gebraucht, um das Museum für den Umzug nach Mitte reisefertig zu machen. Eine Restaurierungsstraße soll entstehen, an der mehrere Restauratoren die einzelnen Objekte nacheinander reinigen, konservieren und dann verpacken. Richard Haas, stellvertretender Direktor des Ethnologischen Museums und Experte für Meso-Amerika, steht auf der bisher nach oben führenden Treppe, schaut auf seinen Saal herab und wird nun doch ein wenig sentimental.

Nur noch etwas für Nostalgiker und Mutige

„Hier hat sich Fritz Bornemann in Reinform erhalten“, erzählt er. Zusammen mit Wils Ebert erbaute der Architekt Anfang der 70er Jahre nicht nur das Gehäuse, er entwarf auch im Inneren die Gestaltung, die Vitrinen, das Mobiliar. Manch anderer Kollege mag es verflucht haben, denn dadurch behielt Bornemann das komplette Copyright, ohne seine Zustimmung und heute die der Erben durfte nichts verändert werden. Das erklärt auch, warum die mediale Aufrüstung an Dahlem so gut wie vorüber gegangen ist, nur bei den jungen „Muslimen“ finden sich entsprechende Bildschirme.

Dahlem, das ist auf seinen letzten Metern nur noch etwas für Nostalgiker und Mutige wie die Direktorin des verbliebenen Museums der Europäischen Kulturen, die sich einiges einfallen lassen muss, um die Neugierde ihres Publikums zu halten oder neues zu gewinnen, etwa mit „Auftritten“ im Humboldt-Forum – als Trost für das zurückgelassene Geschwisterkind, den eigenen Kontinent. Die professionellen Nostalgiker waren längst da: Die Berliner Festspiele GmbH erbat Mobiliar der Erbauungszeit, denn ihr Stammhaus in der Schaperstraße ist ebenfalls ein Bornemann-Bau. Auch das Kunstgewerbemuseum holte sich seine Stücke ab.

Museen Dahlem, Lansstr. 8 /Arnimallee 25, 6. bis 8.1., 10 –20 Uhr.

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