Dahlemer Museen: Blüten und Blätter
Vor dem Finale in Dahlem: Das Museum für Asiatische Kunst lädt zu seiner letzten Ausstellung am alten Standort, bevor die Museen in Berlin-Dahlem im Januar ihre Pforten schließen.
Leise Wehmut kommt auf. Die Museen Dahlem tauschen ihr schönes Domizil am grünen Standort gegen die architektonische Merkwürdigkeit des künftigen Humboldt-Forums im Schloss in Mitte. Nur das Museum Europäischer Kulturen bleibt zurück. An der Lansstraße aber sind die ersten Säle geschlossen, das Haus leert sich. Bis zum 8. Januar können Besucher noch Abschied nehmen. So lange sind auch die Sonderausstellungen im Museum für Asiatische Kunst geöffnet.
Dort wecken ausgerechnet Chrysanthemen die Aufmerksamkeit. In Europa gelten sie als typische Grabbepflanzung. In der chinesischen Kunst aber stehen sie für Standhaftigkeit, Integrität und ein langes Leben. In der Ausstellung „Schnittmengen“ nehmen acht zeitgenössische Künstler den Dialog mit Werken aus den Beständen der Ostasiatischen Sammlung auf. Luzia Simons, 1953 in Brasilien geboren, hat echte Chrysanthemenblüten auf den Scanner gelegt und abgelichtet. Jetzt treten die wulstigen Blütenblätter in fahlem Grün aus dem Dunkel hervor wie morbide Grüße vom Friedhof. Daneben ein Fächer aus dem 16. Jahrhundert, den der chinesische Meister Tang Yin mit runden Chrysanthemendolden und schlanken, scharfen Bambusblättern bemalt hat. Auch der Bambus gehört in der chinesischen Überlieferung zu den edlen Gewächsen, die für die Tugenden der Weisen stehen – immergrün und biegsam verkörpert er Widerstandskraft und Redlichkeit.
Ein Spiel mit Fotografie und Malerei, mit Blick aus vielen Himmelsrichtungen
Eine Darstellung von Hua Yan aus dem 17. Jahrhundert erinnert an den berühmten Dichter Tao Yuanming, der sich frustriert von seiner Beamtenlaufbahn zurückzog, um Chrysanthemen am Bambuszaun zu züchten. Der Kontrast zwischen den geheimnisvollen Scanogrammen und der traditionellen Malerei öffnet die Augen für Ähnlichkeiten und Unterschiede.
Sven Drühl, der gerade mit einer großen Einzelausstellung im Haus am Waldsee zu Gast war, hat Fotos von Wolfgang Tillmans bearbeitet. Die weißen Zweige vor hellgrauem Hintergrund mit Lack auf Leinwand gemalt wirken wie das Negativ einer Hängerolle von Zhao Shao’ang: „Sperling auf Weide“ aus dem Jahr 1975. Ein schönes Spiel mit Fotografie und Malerei, mit dem Blick aufs gleiche Sujet aus verschiedenen Himmelsrichtungen.
In den Holzschnitten von Naoko Matsubara ist die Begegnung zwischen Überlieferung und Moderne ohnehin Bestandteil. Die kanadisch-japanische Künstlerin verfremdet traditionelle Motive zu heiteren Abstraktionen. Matsubara schneidet direkt ins Holz, nutzt die Maserung für transparente Farbflächen. Die poetischen Namen der Blätter „Claire de Lune“ oder „Summer Pond“ öffnen Assoziationsräume. Die Arbeit „Tagasode – wessen Ärmel?“ – ein Geschenk der Künstlerin ans Museum – bezieht sich auf die herkömmliche Darstellung feiner Damen, die nur durch ihren Kimono repräsentiert werden. Da wehen rot, grüne, gelbe Bahnen wie weite Ärmel durchs Bild.
Es gibt auch Klatschmohnblüten auf indischem Sommerteppich
Irritierend wirkt in der ohnehin komplexen Schau, dass in die Schnittmenge zwischen Gegenwart und Tradition eine weitere Begegnung eingeflochten ist: „Natur zwischen Poesie und Mimesis, Blumen und Vögel in der Malerei Indiens und Chinas“ lautet der Titel. Die Klatschmohnblüten auf dem indischen Sommerteppich stammen aus einer ganz anderen Farbwelt. In der indischen Mogul-Malerei steht Rot für imperiale Pracht.
Miniaturen öffnen Blicke in Paradiesgärten. Eine surreale Staude treibt gezeichnete Blüten aus Tierköpfen. Elefant, Hirsch, Bär und Löwe wachsen in den Himmel. Blüten oder Blätter zieren Jagdteller. Ähnliche Schalen aus China sind mit den aufgerollten Blütenblättern der Chrysanthemen geschmückt als Belege für Kulturtransfer. Da wissen wir bereits, dass Chrysanthemen nicht für Abschied und Verlust stehen, sondern für Weisheit und langes Leben.
Museum für Asiatische Kunst, Lansstr. 8, bis 8.1.; Di–Fr 11–17 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr