Neue Chefin für das Jüdische Museum Berlin: Hetty Berg bringt viel Erfahrung mit
Hetty Berg wird Direktorin des Jüdischen Museums in Berlin. Was wird von ihr erwartet?
Schon allein die Architektur verrät die Spannung, erfasst plastisch die Kräfte, die hier wirken. Ein barockes ehemaliges Gerichtsgebäude, verbunden mit Daniel Libeskinds gezacktem Gehäuse: Das Jüdische Museum Berlin sieht anders aus, und es ist auch etwas Besonderes in der Hauptstadt. Was an diesem Ort gezeigt und diskutiert wird, verfolgt eine weltweite Öffentlichkeit, vor allem auch, wie es geschieht, in welcher Tonlage, mit welcher Intention.
Deshalb ist es eine gute Nachricht, dass mit Hetty Berg so unerwartet schnell eine neue Direktorin gefunden wurde, nach dem Rücktritt von Peter Schäfer im Juni. Und dass die 58-Jährige, bislang im Jüdischen Kulturviertel Amsterdam tätig, bereits im kommenden April ihre sicher nicht einfache Aufgabe in dem markanten Bau in der Lindenstraße übernimmt. Was für die Kuratorin und Museumsmanagerin spricht: Sie hat, auch das ist entscheidend für Berlin, einen ausgeprägten internationalen Hintergrund und viel praktische Erfahrung. Und endlich mal wieder wird eine Frau mit der Leitung einer so bedeutenden Institution betraut. Das Museumswesen ist immer noch ziemlich männlich.
Endlich eine Frau
Im Januar will Hetty Berg an einem Workshop zur künftigen Dauerausstellung teilnehmen. Dabei geht es ums Grundsätzliche, um die Darstellung vieler Jahrhunderte deutsch-jüdischer Geschichte. Das Jüdische Museum Berlin ist das größte jüdische Museum Europas. Ein Aufbruch tut der Institution gut. Bergs Vorgänger Peter Schäfer gab auf, nachdem der Zentralrat der Juden sich von dem 76-jährigen Judaisten abgewandt hatte. Die israelische Regierung übte Druck aus, am Ende blieb dem hochverdienten Wissenschaftler keine andere Wahl. Der Konflikt hatte sich exemplarisch an der Ausstellung „Welcome to Jerusalem“ entzündet. Sie zeichnete ein lebensnahes Bild der Stadt, wurde allerdings von Benjamin Netanjahu und seinen Anhängern als israelfeindlich attackiert. Im Jüdischen Museum Berlin informiert sich ein sehr heterogenes Publikum über Geschichte, die zugleich immer Gegenwart ist. Und Zukunft. So war mancher Besucher empört, dass in der Darstellung von Jerusalem überhaupt arabische Menschen auftauchen, während andere eine klare Stellungnahme zur Lage der Palästinenser vermissten. Sollte sich, auch das war zu hören, ein Jüdisches Museum in Berlin nicht auf die Geschichte der Juden hierzulande beschränken?
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Ein offenes Haus
Peter Schäfer stand für ein offenes Haus, für den Dialog auch mit sehr schwierigen Partnern. Allerdings unterliefen ihm politische Fehleinschätzungen, er verhielt sich ungeschickt und beherrschte den Museumsbetrieb nicht wirklich gut. Das dürfte Hetty Berg kaum unterlaufen. Ihr Amsterdamer Programm weist sie als liberal aus, sie kümmert sich auch um Zeitgenössisches und hat als Mitglied der Jüdischen Gemeinde Amsterdam einen direkten Kontakt zu den Menschen. Das sind die Hoffnungen, die sich mit ihr verbinden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Vorsitzende des Stiftungsrats des Museums, lobt Hetty Bergs „Führungsstärke in komplexen Organisationen“.
Man wünscht ihr Kraft und Fortune. Denn ihr Museum bleibt im Fokus. Spannungen oder auch nur Verstimmungen im Verhältnis von Deutschland und Israel sind hier unmittelbar zu spüren. Dieses Haus kann man sich ohne Austausch, Neugier und Kontroverse nicht vorstellen. Alle Seiten müssen das aushalten.