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11. September 2001: Helden, Schurken, Mäuse - „9/11“ im Comic

US-Comicautoren haben die Terroranschläge vom 11. September 2001 und ihre Folgen auf vielfältige Weise zum Thema gemacht – mal politisch, mal persönlich, mal als bunten Klamauk.

Das gibt es nur im Comic: Ein fliegender Superheld rettet am 11. September 2001 einen Turm des World Trade Centers und damit tausende Menschenleben. Er hat einfach eines der von Terroristen gekaperten Flugzeuge abgefangen. Das ist der Ausgangspunkt des Polit-Thrillers „Ex Machina“. Darin malen sich der New Yorker Autor Brian K. Vaughan und der Zeichner Tony Harris aus, was passiert wäre, hätte es damals in letzter Sekunde ein Wunder gegeben. Die 50 Hefte mit rund 1000 Seiten umfassende Serie, die auf Deutsch bei Panini erschienen aber inzwischen weitgehend vergriffen ist, ist nur eine von Dutzenden von Veröffentlichungen, in denen sich amerikanische Comicautoren mit den Ereignissen am 11. September 2001 und ihren Folgen beschäftigen.

Unbenommen ist manches davon wilder Klamauk. Wie das zum zehnten Jahrestag de Anschläge veröffentlichte Heft der Superhelden-Reihe „Savage Dragon“, in dem Osama bin Laden nach seiner Tötung durch US-Elitetruppen als radioaktiv belebtes Monster wiederaufersteht. Oder der Thriller „Holy Terror“ von Comic-Star Frank Miller („Sin City“). Darin schickt der einstige Batman-Erneuerer einen Superhelden in den Kampf gegen Al Qaida.

Andere Werke hingegen sind nachdenklich und differenziert. So die in den USA weit verbreitete, aber in Deutschland kaum bekannte Zeitungs-Serie „Doonesbury“ von G. B. Trudeau. Die greift regelmäßig aktuelle politische Themen auf und widmete sich lange Zeit den Auswirkungen der Anschläge und des „Krieges gegen den Terror“, indem sie den Alltag von Soldaten, Politikern und ganz normalen Amerikanern reflektierte.

Die Aufarbeitung fand in Wellen statt. Am Anfang standen persönliche Werke über die traumatische Erfahrung. Art Spiegelmans Collage „Im Schatten keiner Türme“ zum Beispiel. Die begann der New Yorker Zeichner in den Monaten nach den Anschlägen. Sie erschien unter anderem in der „Zeit“ und wurde bei Atrium auf Deutsch veröffentlicht. Spiegelman half Ende der 80er Jahre mit seiner autobiografischen Holocaust-Aufarbeitung „Maus“, den Comic als Medium für komplexe Erzählungen zu etablieren.

In seinem 9/11-Band erzählt er, wie ihn die Ereignisse von 2001 erschütterten: Die Panik auf der Suche nach der Tochter, deren Schule in der Nähe des World Trade Center steht, die Angst vor einem weiteren Anschlag, aber auch die politische Empörung über George W. Bush und seine „kriegsfiebernden Banditen“, die die Ereignisse „kidnappten“ und mit ihnen auch den Irakkrieg begründeten. In dem Buch ist auch die von vielen Amerikanern als Provokation empfundene Szene, in der sich der als Maus gezeichnete Autor von Osama bin Laden und dem US-Präsidenten gleichermaßen bedroht fühlt.

Auf die persönlichen Erfahrungen folgten die Allegorien: Fiktive Erzählungen, bei denen die Realität Pate stand. So mutiert in der ebenfalls auf Deutsch bei Panini veröffentlichten Serie „DMZ“ (Panini) von Brian Wood und Riccardo Burchielli Manhattan zur umkämpften „Demilitarized Zone“ in einem neuen amerikanischen Bürgerkrieg – eine Metapher für den Irakkrieg und die innenpolitische Polarisierung der USA.

Je weiter der Abstand zum Ereignis, desto analytischer die Comics. Die Genre-Veteranen Sid Jacobson und Ernie Colón untersuchten 2008 in ihrer Graphic Novel „After 9/11“, wie es zum „Krieg gegen den Terror“ kam. Im zum zehnten Jahrestag erschienenen Guantanamo-Drama „Aaron and Ahmed“ sucht ein US-Militärarzt nach den Ursachen des Hasses. Und in „Codeword Geronimo“ wird die die Jagd auf bin Laden als Comic-Reportage nacherzählt. Nur ein Autor will nichts mehr sagen. Vor fünf Jahren anlässlich des zehnten Jahrestages zum Thema befragt, ließ Art Spiegelman den Tagesspiegel wissen: „Ich begehe den Jahrestag, indem ich abtauche.“

Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals 2011 zum zehnten Jahrestag der Anschläge von 2001 und wurde redaktionell leicht überarbeitet.

Lars von Törne

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