Frank Miller: Ab in die Hölle!
Ein Superheld im Krieg gegen Al Qaida: Frank Millers umstrittener Comic „Holy Terror“ erscheint jetzt auf Deutsch.
Die klassischen Superhelden können mit reichlich Kriegserfahrung aufwarten. Batman kämpfte gegen japanische Spione, Superman gegen die Sowjets, Captain America boxte Hitler nieder. Die allseits beliebten kostümierten Rächer eigneten sich schon deshalb hervorragend für den Einsatz an der Front, weil sie weder staatlichen noch physikalischen Gesetzen unterworfen sind.
Da war es nur logisch, dass der Comic-Künstler Frank Miller eines Tages erzählte, er arbeite an einem Buch, in dem er Batman gegen das Terrornetzwerk Al Qaida antreten lasse. „Ein Stück Propaganda“ solle es werden, sagte er 2006. „Ein Buch, das so ziemlich jeden beleidigt.“ Fünf Jahre brauchte Miller, um es fertigzustellen. Zwar ist „Holy Terror“ doch kein Batman-Comic geworden, weil der Autor sich nicht mit dem Verlag DC einigen konnte, der die Rechte an der Figur besitzt. Seiner Vision aber blieb Miller treu. Die jetzt auch auf Deutsch erscheinende Geschichte ist eingerahmt von einer Widmung an den von einem Islamisten ermordeten niederländischen Filmemacher Theo van Gogh sowie einem Koran-Auszug. Neunte Sure, fünfter Vers: „Tötet die Heiden, wo immer ihr sie findet.“
Die Geschichte selbst wirkt nicht weniger drastisch. Ein Mann mit Maske, der aussieht wie Batman, aber „der Richter“ genannt wird, jagt eine Juwelendiebin, die aussieht wie Catwoman und „die Katze“ heißt. Sie prügeln sich, haben Sex, bis plötzlich Bomben explodieren. Die beiden foltern einen Attentäter, dringen in eine Moschee ein und bringen alle Terroristen, die sie auf dem Weg zum Showdown noch nicht erschossen, erstochen, erschlagen haben, mit deren eigenem Giftgas um. „Postmoderne Diplomatie“ nennt „der Richter“ das. Mehr passiert nicht. Zum Lesen der 120 querformatigen Seiten braucht man keine halbe Stunde.
Als das Buch 2011 zum zehnten Jahrestag des 11. September in Amerika erschien, gab es heftige Proteste. Rassistisch sei der Band, billig, plump, so die fast einhellige Meinung des Publikums. Dabei ist der durchschnittliche amerikanische Comicleser „männlich, weiß, christlich, heterosexuell“ und politisch irgendwo „mitte-rechts“ einzuordnen, wie der Literaturwissenschaftler Lars Banhold in seinem Aufsatz „Pink Kryptonite“ schreibt. „Der Superhelden-Comic ist noch auf eine Leserschaft angewiesen, die sich konservativen Normen verpflichtet und vom sozialen Wandel bedroht fühlt.“
In Deutschland erscheint „Holy Terror“ jetzt beim Panini-Verlag, der deutschen Heimat von Spider-Man, Batman und Superman. Der Verlag Cross Cult, der unter anderem Millers legendäre, im Jahr 2005 verfilmte „Sin City“-Serie veröffentlichte, hatte wegen inhaltlicher Bedenken kein Interesse. Auch bei Panini gab es Diskussionen, aber schließlich fühlte man sich dem Künstler verpflichtet. „Die Comics sind Statements der Autoren, und wenn es sich nicht um kriminelles Gedankengut handelt, sind wir der Meinung, dass man das durchaus mit Gewinn kritisch diskutieren kann“, sagt Sprecher Steffen Volkmer. Außerdem sei Miller schließlich nicht irgendwer.
Frank Miller gehört zu den wichtigsten Erneuerern des Comics. Er half in den achtziger Jahren, das Genre salonfähig zu machen, indem er erwachsene Themen wählte und die Helden mit einer gequälten Seele ausstattete. Millers „Batman: Year One“ war die Blaupause, nach der auch Christopher Nolan die Figur für seine Filmtrilogie konstruierte. Doch schon vor 25 Jahren wurde Miller mitunter vorgeworfen, aus Batman einen Faschisten gemacht zu haben. Die Diskussion kochte wieder hoch, als die Hollywoodadaption von Millers Comic „300“ anlief, der die Schlacht an den Thermopylen in Riefenstahl-Ästhetik inszenierte. Als Miller vergangenes Jahr die Occupy-Bewegung dann auch noch als „Pack von Versagern, Dieben und Vergewaltigern“ beschimpfte, nannte der „Guardian“ den Comiczeichner einen „Kryptofaschisten“.
So gesehen sind Thema und Tenor von „Holy Terror“ nicht weiter verwunderlich, zumal Miller ohnehin die echte Welt gern mit dem Universum des Comics kollidieren lässt. Keine schlechte Idee, wenn man nicht nur ein eskapistisches Unterhaltungsbedürfnis bedienen will, indem Kostümierte anderen Kostümierten die Nase einhauen. Diesmal hat sich Miller allerdings gründlich verhoben. Zwar beeindruckt „Holy Terror“ mit rasant hingeworfenen, meist großformatigen Schwarz-Weiß-Bildern. Erstarrte Schattenrisse oder bis zur Unkenntlichkeit verwischte Skizzen entsprechen der orientierungslosen Nervosität und gleichzeitigen Lähmung der amerikanischen Gesellschaft nach dem 11. September. Schwarz-Weiß sind allerdings auch die Charaktere geraten. Die Terroristen sind Abziehbildchen, die Helden konturlose Vollstrecker. Konflikte, Zweifel? Fehlanzeige. Kein Zufall, dass die Farbe Grau in dem Buch so gut wie keine Verwendung findet.
Auch erzählerisch enttäuscht „Holy Terror“. Stur prügeln sich die Figuren durch den Plot, der streckenweise keine Geschichte erzählt, sondern aus Splittern aus dem Programm des erzkonservativen Nachrichtensenders Fox-News zusammengesetzt zu sein scheint. Karikaturen von Obama, Michael Moore, Putin, Kim Yong Il, Ahmadinedschad, Karsai oder Sarah Palin stehen kommentarlos neben Szenen von Steinigungen, bärtigen Attentätern und Männern, die Frauen misshandeln. Motive, Positionen, Verantwortlichkeiten – hier geht einiges durcheinander. Das kann man als überdrehten Kirmescomic lesen oder als bedenkliche Irrlichterei. In jedem Fall zeugt es von der Überforderung des Autors angesichts der komplex-chaotischen Welt: „Ich weiß nicht das kleinste bisschen über den Islam“, gestand Miller bei einer Buchpräsentation. „Aber ich weiß viel über Al Qaida und ich will, dass sie alle in der Hölle brennen.“
Man sollte „Holy Terror“ deshalb nicht als Fortsetzung der Mohammed-Karikaturen mit verschärften Mitteln missverstehen. Während dort politische Kritik geübt und Widersprüche verdeutlicht wurden, regiert hier nur das Bedürfnis nach Vergeltung. Frank Miller stellt keine Fragen nach der Legitimation oder Sinnhaftigkeit von Provokation, nach dem Wert solch drastischer freier Meinungsäußerung. „Holy Terror“ ist kein Debattenbeitrag, sondern der simple Schrei nach einem, der alles wieder in Ordnung bringt. Im Original trägt der Held denn auch den Namen „The Fixer“: Weil der Staat offenbar nicht in der Lage ist, die Welt zu reparieren, muss wieder mal ein Superheld ran. Damit demontiert sich der Autor selbst. „Holy Terror“ ist genau der simple Comic-Stellvertreterkrieg geworden, den Miller einst half zu überwinden.
„Das Jahrzehnt des Krieges ist vorbei“, hat Barack Obama nach seiner Wiederwahl verkündet. Bei Frank Miller sieht es nicht danach aus.
Frank Miller: "Holy Terror", Panini-Comics, Stuttgart 2012, 120 Seiten, 29,95 €
Moritz Honert
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