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Christian Thielemann dirigierte bei den Philharmonikern ein französisches Programm.
© REUTERS

Thielemann und die Berliner Philharmoniker: Hauch des Himmels

Im besten Einvernehmen: Christian Thielemann dirigiert die Berliner Philharmoniker, erstmal nach der Wahl des neuen Chefdirigenten - die auf Kyrill Petrenko fiel.

Lass’ uns Freunde bleiben. Das sagt sich so einfach, wenn da mal was war. Oder, noch schlimmer, wenn da fast mal was gelaufen wäre. Natürlich hätte Christian Thielemann die Berliner Philharmoniker nicht von der Dirigentenpultkante geschubst, wenn sie ihn gefragt hätten. Denn er wollte es ja auch: Nachfolger von Simon Rattle werden. Als dann Kyrill Petrenko das Rennen machte, hätte sich der Berliner Maestro mit sicherer Chefposition bei der Dresdner Staatskapelle gekränkt zurückziehen, die beiden Januar-Programme absagen können. Doch er sprang über seinen Schatten, und die Proben, so ist zu hören, verliefen in bester Atmosphäre. Thielemann zeigte sich ebenso begeistert vom neuen Konzertmeister Noah Bendix-Balgley wie vom jungen Solocellisten Bruno Delepelaire.

Das Konzert beginnt mit einer Schweigeminute für Pierre Boulez. Eine schöne Geste und auf den ersten Blick besonders passend an diesem Abend, stehen doch ausschließlich französische Werke auf dem Programm. Bei näherer Betrachtung aber wird klar, gehörte für den strengen Boulez von den drei Komponisten lediglich Claude Debussy zum Kanon dessen, was er aus der Musikgeschichte seiner Heimat gelten ließ.

Kein Parfum: Thielemann dirigiert klangfarblich neutral

Der 1855 geborene Ernest Chausson war ein glühender Wagner-Verehrer, sein „Poème de l’amour et de la mer“ die französische Antwort auf Isoldes Liebestod aus dem „Tristan“. Was das Werk für Christian Thielemann reizvoll macht. Doch der Dirigent versagt sich alle Wagnerei, lässt das Orchester betont objektiv spielen, sensibel zwar, schlüssig in Tempo und Dynamik, aber unter Verzicht auf jegliches Parfum, also klangfarblich neutral. Leider singt auch Sophie Koch die gefühlsgeladenen Verse von Maurice Bouchor, als sei sie eine unbeteiligte Erzählerin: Wüsste man nicht, dass sie Muttersprachlerin ist, man könnte meinen, die Mezzosopranistin verstünde kein Wort von dem, was sie mit perfekter Vokaltechnik vorträgt.

Um wie viel lebendiger, emotional ansprechender ist da Marie-Pierre Langlamets Spiel in Debussys „Tänzen für Harfe und Streichorchester“. Sofort vermag sie die Zuhörer zu fesseln, sie weit in die antike Vergangenheit zu entführen, wo dank rhythmischer Raffinesse und orakelhafter Harmonik Bilder vor dem inneren Auge auftauchen von weiß gewandeten Gestalten, schlank und schön, die sich voll Anmut durch sommerliche Landschaften bewegen. Hier passt Christian Thielemanns Klangästhetik, wenn das Orchester den Fond für diese arkadische Erzählung als zartes Aquarell malt.

Besonders feinfühlig will der Dirigent schließlich auch Gabriel Faurés Requiem angehen – und lässt die ganz auf leise Töne setzende Totenmesse damit zu einer hochgradig artifiziellen Angelegenheit werden. Orchester und Sänger hat er dabei auf seiner Seite: Christiane Karg, die das Pie Jesu mit schöner Schlichtheit singt, den mönchisch ernsten Bariton Adrian Eröd und den von Gijs Leenaars vorbereiteten Rundfunkchor, der sich wie immer bewundernswert wandlungsfähig zeigt, mal opernhaft überdeutlich artikuliert und dann wieder als sei er ein Hauch des Himmels. Das Publikum in der Philharmonie bedankt sich dafür mit einer besonders langen Stille zwischen Schlusston und Applaus.

Noch einmal an diesem Sonntag um 20 Uhr. RBB Kulturradio überträgt das Konzert live. Vom 14. bis 16. Januar dirigiert Thielemann bei den Philharmonikern Werke von Chopin, Schumann, Reimann und Strauss.

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