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Coole Gang: Die Gorillaz auf einer Doppelseite aus dem besprochenen Buch.
© Taschen

„Jamie Hewlett. Works From The Last 25 Years“: Hässliche Menschen, die sich gut anziehen

Viel mehr als „Tank Girl“ und die Gorillaz: Eine Monografie führt durch das Universum des Zeichners Jamie Hewlett.

Comiczeichner gelten seit jeher als scheu. Obwohl Underground-Legende Robert Crumb in der klugen Doku „Crumb“ von Terry Zwigoff daran erinnerte, wie er mit seinen ersten Erfolgen eine Traumfrau nach der nächsten abschleppte (und es dann gelangweilt irgendwann sein ließ), ist kaum ein Zeichner dafür bekannt, wie ein Rockstar zu leben. Außer vielleicht Jamie Hewlett.

Der erfüllte sich mit der Gründung der Gorillaz den introvertierten Traum, Teil einer Band zu sein, dafür aber niemals auf einer Bühne stehen zu müssen. Damon Albarn schreibt die Musik, während der so humorbegabte wie subversive Zeichner für die Illustrationen sorgt.

Eine Idee, deren metareflexive Ironie sich schnell hätte erschöpfen können. Doch das tat sie bisher nicht, weil die Melodien des Blur-Sängers groß und Hewletts Zeichenwelten hintersinnig durchkomponiert sind.

Feministisch grundierte Punk-Symbolik: Eine weitere Doppelseite aus dem Buch.
Feministisch grundierte Punk-Symbolik: Eine weitere Doppelseite aus dem Buch.
© Taschen

Sein Universum speist sich souverän aus Hewletts Verständnis für Pop und Comic-Kultur, seiner Faszination für hässliche Menschen, die sich gut anziehen, und einer gehörigen Portion sublimierter sexueller Energie.

„Star Wars“ trifft auf da Vinci

Der nun im Taschen-Verlag erschienene Bildband „Jamie Hewlett. Works From The Last 25 Years“ illuminiert die vielen Facetten im Werk Hewletts und versammelt seine wichtigsten Arbeiten, darunter „Hitler The Fashion Student“ und eine herrliche „Star Wars“-Persiflage im Stile des letzten Abendmahls von da Vinci.

Zu finden sind darin natürlich Teile des legendären „Tank Girl“-Comics, mit denen der Zeichner 1988 im Comicmagazin „Deadline“ reüssierte. Die skurrile Mischung aus feministisch grundierter Punk-Symbolik und „Mad Max“-Story traf exakt den Ton ihrer Zeit und wurde dann von einer ruppigen, fantasielosen Verfilmung einfach überrollt.

Das Cover des besprochenen Bandes.
Das Cover des besprochenen Bandes.
© Taschen

Für Hewlett ein Trauerspiel. Aber kein Grund, aufzugeben. Dieser Retrospektivband zeigt natürlich auch viele der berühmten und sowie einige noch unveröffentlichte Gorillaz-Entwürfe, legt aber einen viel größeren Fokus auf hierzulande größtenteils unbekannte Arbeiten.

Eine Satire auf die sich selbst zerstörende Musikkultur

So finden sich darin Ausschnitte aus dem in Großbritannien berüchtigten Strip „Get The Freebies“, der 1996/97 im Style-Magazin „The Face“ erschien. Hauptfiguren sind ein schwuler Kung-Fu-Polizist und Buddhist sowie eine ständig zugedröhnte Anarchistin. Natürlich eine verflucht kluge Satire auf die sich selbst zerstörende Musikkultur und das Leben im Großbritannien der 90er.

„Bangladesh“ hingegen ist eine Art fotorealistische Comicreportage über ein Dorf, das von einem Monsun nahezu zerstört wurde. Die Wasserfarbenmalereien unterscheiden sich radikal von allen anderen Arbeiten Hewletts. Wie auch die geradezu minimalistische Werkreihe „Pine Trees“, die mit kargen, monochromen Tuschezeichnungen eine magische Baumlandschaft zu Papier bringt.

Den anrührendsten Kontrapunkt setzt allerdings die nostalgische Bildserie „Honey“, in der Hewlett – ein begnadeter Illustrator – seine Ehefrau Emma de Caunes zur Heldin einiger fiktiver Sexploitation-Movies à la Russ Meyer und Tinto Brass werden ließ und dafür eigens mehrere Kinoplakate gestaltete. Großes Kino.

Jamie Hewlett: Works From The Last 25 Years, Taschen, 424 Seiten, Hardcover, 40 Euro, Texte auf Deutsch, Englisch, Französisch

Marc Vetter

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