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Streicherduo. Sofia Chatzi und Constantin Paul Siepermann.
© Doris Spiekermann-Klaas

Young Euro Classic: Harmonien aus dem Untergrund

Mediterrante Leichtigkeit, Thriller, Drama: Das deutsch-griechische Orchesterprojekt bei Young Euro Classic.

Zartes Klopfen, mit den Bögen auf die Notenständer. So spenden Orchestermusiker Applaus. Und begrüßen ihre Solisten. Stathis Karapanos ist gerade eingetroffen, packt seine Querflöte aus und stellt sich neben das Dirigentenpult. Sein Flug war verspätet, er muss mitten drin einsteigen in den Proben des Young Euro Classic Festivalorchesters. Und wie: In „Zorbas Suite“ von Mikis Theodorakis geht es gleich richtig zur Sache. Mediterrane Leichtigkeit, Thriller, Drama. Alles drin. Mit den Notenblättern wedelt er sich danach Luft zu. Zeit für die Mittagspause.

Auch dieses Jahr kommen für das Festival der Klassikjugend wieder Nachwuchsmusikerinnen und -musiker aus zwei verschiedenen Ländern zusammen, um ein gemeinsames Orchester zu bilden. Dieses Mal nimmt das Projekt Griechenland in den Blick – seit langem ein „Herzenswunsch“ der Veranstalter.

Sofia Chatzi, 17, und Constantin Paul Siepermann, 19, kennen sich. Die griechische Geigerin und der deutsche Cellist spielen in zwei Ensembles, die sich seit 2017 treffen: das Underground Youth Orchestra Athen und das Kammerorchester Julius Stern der Universität der Künste. Das Festivalorchester ist nun aus dieser jungen Tradition hervorgegangen. Fünf Tage proben sie für das Konzert – eine Herkulesaufgabe. Chatzi ist zufrieden, „das wird ein tolles Konzert“. Siepermann stimmt ihr zu: „Ich bin beeindruckt wie gut wir zusammen funktionieren.“

Das Orchester probte in einem Keller

Chatzis Orchester wurde 2010 gegründet – es war das Jahr, als Griechenland in eine tiefe Wirtschaftskrise stürzte. Besonders die Jugendlichen leiden darunter, bei den 15- bis 24-Jährigen liegt die Arbeitslosenquote weiterhin bei über 40 Prozent. „Es wird langsam besser“, so Chatzi. Sie betont, wie wichtig ihr das Orchester auch deshalb ist: „Es tut immer gut Musiker aus anderen Ländern zu treffen“.

Seinen rebellischen Namen hat das Underground Youth Orchestra von seinem Übungsort: ein großer Kellerraum im Herzen der griechischen Hauptstadt mit Konzertflügel und Bücherregalen voller Partituren. „Mein zweites Zuhause“, sagt Chatzi und lächelt. Hier haben die griechischen Mitglieder des Festivalorchesters auch das Programm für ihren Konzerthausauftritt einstudiert. Es soll musikalisch die griechische Geschichte beleuchten. „Am meisten freue ich mich auf Skalkottas’ ,Griechische Tänze’“, sagt Chatzi und schwärmt: „Ich muss jedes Mal an meine Heimat denken, ich liebe die Harmonien und Melodien. Besonders im fünften Satz, wenn wir zwei Geigen unser Solo haben“. Skalkottas, einer der bedeutendsten Komponisten der Neuen Musik in Griechenland, lernte in den zwanziger Jahren in Berlin unter Arnold Schönberg. Siepermann sieht gerade bei den „Tänzen“ eine besondere Verantwortung für die Julius-Stern-Nachwuchsmusiker: „Wir spielen häufig Stücke, die von Folklore beeinflusst sind und es ist immer etwas Einzigartiges, sich da einzufühlen. Ich hoffe sehr, wir erfüllen eure Vorstellungen“ – „Ihr macht das schon echt gut!“, beruhigt ihn Chatzi. Beide lachen.

Christoph Eschenbach ist der Dirigent

Natürlich wird Beethoven ebenfalls zu hören sein, er steht im Mittelpunkt des diesjährigen Festivals. Auch mit griechischer Mythologie beschäftigte Beethoven sich. Die Ouvertüre „Die Geschöpfe des Prometheus“ beleuchtet das Wesen der Jugend, den Aufstand gegen die Götter, die ja irgendwie auch nur Menschen sind. Siepermann freut sich auf das Stück, „aber auch auf ’Orpheus und Eurydike’, weil es so kraftvoll ist". Die Oper von Christoph Willibald Gluck sieht eigentlich Solisten vor. Umso spannender, wie eine Chor-Orchester-Version den tragischen Mythos der bis in den Hades führenden Liebe erzählt. Das Festivalorchester wird hier vom Konzertchor Cantus Domus begleitet. Leiten wird das Orchester Christoph Eschenbach, der am 30. August die künstlerische Leitung des Konzerthausorchesters übernimmt.

Zum Abschluss des Konzerts richtet Beethovens „Fantasie für Klavier, Chor und Orchester“ mit dem Pianisten Fil Liotis den Blick in die Zukunft eines geeinten Europas. Das Motto des 1984 geborenen Griechen, der in Detmold und Karlsruhe studierte, ist übrigens ein Beethovenzitat: „Von Herzen - möge es wieder zu Herzen gehen!“ (Sa, 27. 7., 20 Uhr, Konzerthaus)

Jakob Wittmann

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