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Jeder kann tanzen. Die "Gala" im Hebbel-Theater feiert das Unperfekte.
© Dorothea Tuch

"Gala" von Jérôme Bel im HAU: Haltung bewahren

Die Lust am Unperfekten: In der Aufführungsserie "Gala" ist wenig Perfektion zu finden. Dafür darf viel gelacht werden, denn jeder Tänzer ist ein Anlass zum Feiern.

So richtig in Schale geworfen hat sich kaum jemand an diesem Abend. Wenn Jérôme Bel eine „Gala“ im Hebbel-Theater feiert, kommt einem das auch erstmal komisch vor. Bei Gala denkt man an ein Aneinanderreihen von Sahnestückchen des Ballett-Repertoires, an den Glamour der hochtrainierten Körper. All dies ist verpönt bei Bel. Der französische Choreograf, um den sich die großen Festivals reißen, hat immer wieder die Mechanismen der Repräsentation im Theater hinterfragt. Er treibt ein hinterhältiges Spiel mit den Regeln des Bühnentanzes.

Zuletzt war in Berlin seine Produktion „Disabled Theater“ zu sehen, in der er die geistig behinderten Schauspieler des Zürcher Theater Hora zum Tanzen gebracht hat. Die Inszenierung hat heftig polarisiert. „Gala“ ist nun der ironische Titel für eine Serie von Aufführungen, bei der Bel professionelle Tänzer und Schauspieler auf Amateure, darunter auch Behinderte, treffen lässt. Die Performance wird in verschiedenen Städten jeweils mit lokalen Akteuren erarbeitet. Berlin ist nach Brüssel die zweite Station. Und Bel hat hier wirklich eine famose Truppe auf die Beine gestellt. Die tollen Tänzer Isabel Lewis und Roderick George, Gasttänzer bei der Forsythe Company, fügen sich ebenso gut ins verwegen kostümierte Ensemble ein wie der gewitzte Lajos Talamonti und die wunderbare Zazie de Paris. Aber auch die Amateure legen sich ins Zeug. Weil die Beine nicht mehr mitmachen, nutzt der Mann im Rollstuhl eben seine Arme.

„Gala“ wird im Rahmen des Festivals „The Power of the Powerless“ gezeigt. Das macht durchaus Sinn. Der Selbstoptimierung im Neoliberalismus stellt Bel die Lust am Unperfekten gegenüber. Als Motto wählte er Samuel Becketts „Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“

Keine perfekten Posen

Fauxpas sind bei dieser „Gala“ also erlaubt. Und so sieht man jede Menge verwackelter Pirouetten und verhunzter Sprünge. Aber der Abend will auch dazu verführen, die unterschiedlichen Körper, Talente und Eigenarten zu betrachten - und die Wertungen erstmal beiseite zu lassen. Auch wenn die Posen nicht perfekt sind: Es ist die Haltung, die zählt. Die Tänzer versuchen das ihnen Mögliche, reißen sich aber kein Bein aus, wenn’s mal nicht klappt. Dabei hat es der Parcours in sich. Zuerst tritt jeder einzeln auf und absolviert Ballett-Exercises wie Drehungen oder einen Jeté- Sprung. Später stehen Walzer, Improvisation und der Moonwalk von Michael Jackson auf dem Programm. Danach ist jeweils einer der Vortänzer und die anderen versuchen zu folgen. Die 18 Tänzer geben Bewegungen weiter und tauschen auch die Klamotten, was ein lustiges Gender-Crossing zur Folge hat. Wenn Isabel Lewis und ihre schräge Chorus Line am Ende den Liza-Minelli-Song „New York, New York“ uminterpretieren in „Berlin Berlin“, ist das ein echter Showkracher.

Es wird viel gelacht an diesem Abend. Aber das Schöne ist, dass Bel seine Tänzer nie vorführt oder bloßstellt. Bloßgelegt werden die Konventionen des Theaters. Bei „Gala“ ist jeder ein Tänzer - und ein Anlass zum Feiern.

Noch einmal am 26.6., 20 Uhr

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