Deutscher Rap: Gut, dass niemand genau hinhört
"Ich lieb' es, im Mercedes mit 300 durch die Stadt": Die aktuell erfolgreichste Popmusik, der Deutschrap, regiert in einer Parallelwelt. Ein Kommentar.
Seit einiger Zeit hat man den Eindruck, dass die deutschen Musikcharts ein Paralleluniversum eigener Art darstellen, insbesondere die Top zehn der pro Woche am meisten verkauften, geklickten, gestreamten Songs, also die Single-Charts.
Selbst in Kreisen, die der Popmusik nicht ganz fern stehen, die sich, sagen wir: die „Spex“ (solange es sie noch gibt) oder den „Rolling Stone“ kaufen, die bei „Pitchfork“ unterwegs sind oder sich brav durch die neuesten Veröffentlichungen bei Spotify oder Tidal hören, selbst in solchen Kreisen stößt man oft auf Kopfschütteln, wenn Namen wie Trettmann, Gringo, Bonez MC, Capital Bra oder Raf Camora fallen. Nie gehört, heißt es dann, obwohl es gerade diese Musiker sind, genauer: diese Deutsch-Rapper, die Woche für Woche mit neuen Songs herauskommen und es damit sofort auf die Spitzenplätze schaffen.
Feine Sahne Fischfilet? In den Charts stehen andere
Diese Woche finden sich da natürlich auch die in allen Radiosendern gespielten Titel wie „Promises“ von Calvin Harris und Sam Smith oder „In My Mind“ von Dynoro. Ansonsten aber nichts anderes als deutschsprachiger Rap, von Platz eins, auf dem Tretmann und ein paar andere mit ihrem „Standard“ stehen, und das schon seit mehreren Wochen, bis zu Platz zehn, auf dem das geradezu langlebige Stück „500 PS“ von Bonez MC rangiert. Dazwischen mit gleich drei Titeln der Berliner Rapper Capital Bra, der anscheinend Tag und und Nacht Lyrics schreibt und Musik produziert, so produktiv ist der junge Mann.
Interessant daran ist auch, dass in den letzten Wochen die linke Punkrockband Feine Sahne Fischfilet mit ihrem betont antifaschistischen Move für Schrecken in wertkonservativen bis rechten Kreisen sorgte. Dass aber die Weltbilder, die im Deutsch-Rap gezeichnet werden, auf den Schulhöfen des Landes viel mehr Verbreitung finden, ganz ohne wertkonservatives Bedenkenträgertum obdessen.
Kleine Kostprobe aus Capital Bras „Ich liebe es“: „Ja, ich lieb' mein Leben, die Geschäfte laufen glatt / Ich liebe den Geruch von meinem Blunt / Ich lieb' es, wie die Frauen sich bewegen zu dem Takt / Ich lieb' es, im Mercedes mit 300 durch die Stadt.“
Es geht durchweg um Frauen, die immer dem Rapper zur Verfügung stehen, um Geld und Statussymbole wie PS-starke Autos oder großformatige Uhren, so platt und offensiv wie möglich, und die Kids finden es super. Keine Atempause, Nummer-eins-Hits werden gemacht. Gut nur, dass niemand genau hinhört, ist ja bloß eine Parallelwelt.
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