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Zubin Mehta
© dpa

Wiener Philharmoniker zu Gast in Berlin: Grüße von der Eiger- Nordwand

Akustiktest, Teil 3: Zubin Mehta und die Wiener Philharmoniker spielen in der sanierten Berliner Staatsoper Unter den Linden

Fast wirkt es, als wolle Berlin den Hamburgern sagen: Ätsch, ihr habt die Elbphilharmonie, dafür eröffnen wir zwei neue Konzertsäle kurz hintereinander – in direkter Nachbarschaft. Erst der Pierre Boulez Saal in der Barenboim-Said-Akademie, jetzt die sanierte Staatsoper. So begeistert zeigte sich Daniel Barenboim von der neuen Akustik Unter den Linden, dass er mit seiner Staatskapelle hier viel öfter Sinfoniekonzerte geben möchte.

Am Samstag hat schon mal ein weiteres Spitzenorchester reingeschnuppert: die Wiener Philharmoniker. Zu Beginn von Brahms’ Tragischer Ouvertüre klappert es noch zwischen den Stimmen, aber Zubin Mehta am Pult bekommt das schnell unter Kontrolle. Gehärtet, wie aufpoliert klingt die neue alte Halle. Die Töne bekommen etwas Austauschbares, Globalisiertes; als würde man eines dieser Hotelkettenzimmer betreten, die überall auf der Welt gleich aussehen.

Die Probleme, die schon die Staatskapelle hatte, bestätigen sich jetzt bei den Wienern: Was auf der Strecke bleibt, ist das Eigene, Unverwechselbare, der warme, manchmal auch leicht behäbige Traditionsklang des Orchesters. Hoffentlich ist das nur ein Anfangsfremdeln, werden sich die Berliner Musiker bald auf die neuen Akustikbedingungen einstellen.

Für Haydn ist die Akustik günstiger als für Brahms

Verblüffend, wie unterschiedlich der Saal auf Volumen reagiert: Während sich beim groß besetzten Werk von Brahms im Fortissimo schnell eine massive, beeindruckend-bedrohliche Klangmauer auftürmt, eine musikalische Eiger-Nordwand, ist die Akustik für die lichtere Besetzung von Haydns "Sinfonia Concertante“ günstiger. Konzertmeister Rainer Honeck führt hier das Solistenquartett (Robert Nagy, Martin Gabriel, Sophie Dartigalongue) mit nachdenklichem, leicht introvertiertem Strich an.

Zubin Mehta, inzwischen 81, hat sich eine ökonomische Gestik angeeignet, die es ihm erlaubt, mit seinen Kräften zu haushalten und trotzdem viel Inspirations- und Impulskraft zu bieten. Getragen, gedehnt ist das Tempo unter seinen Händen in Bartóks „Konzert für Orchester“. Gleichmäßigkeit bedeutet hier nicht Gleichförmigkeit. Vielmehr schafft sie ein Plateau für den wuseligen, ständig metamorphisierenden Charakter des Stücks, in dem Bartók choralartige Bläser von Trommeln unterlegen lässt, hohe Streicher unvermittelt reinschneiden und die arme „Da geh ich zum Maxim“- Melodie von Lehár, die schon Schostakowitsch sarkastisch aufgriff, in wildem Taumel endgültig zerfetzt.

Wie werden wohl Wagners Opern in diesem Saal klingen?

Mehta erweist sich als souveräner Verknüpfer aller loser Enden, die Wahnsinnsjagd der Perpetuum mobile-Figuren im Finalsatz gerät ihm dabei fast impressionistisch-weichzeichnend. Dann wieder ein Blechbläserchoral, und Schluss.

Fazit des kleinen Akustiktests: Es gibt eine starke Unwucht zwischen Forte und Piano, wobei das eine oft beziehungslos ins andere umschlägt. Der Saal scheint den Stücken des 18. Jahrhunderts stärker zu schmeicheln als den Klangmassierungen der großen romantischen Werke. Die Frage ist, was das für die Opern Richard Wagners heißt, die hier natürlich bald wieder aufgeführt werden.

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