Museum wiedereröffnet: Gropius Bau startet nach Umbau in neue Ära
Das Haus wurde teilweise umgestaltet und frisch renoviert. Nun öffnet es mit einer Schau zum Handwerk in der Kunst wieder seine Pforten. Ein Rundgang.
Der Martin Gropius Bau, lichtdurchflutet? So hat man das neoklassizistische Gebäude zwischen der Topografie des Terrors und dem Abgeordnetenhaus eher nicht wahrgenommen. Doch das große Netz, das die Künstlerin Chiharu Shiota im Lichthof des Museums aufgehängt hat, läutet eine neue Ära ein. Stephanie Rosenthal, seit gut einem Jahr die Direktorin des Hauses, setzt auf Öffnung, im metaphorischen wie im ganz praktischen Sinn.
Am Wochenende lädt der Gropius Bau nach kurzer Umbauphase zur großen Wiedereröffnung ein. Der Lichthof ist jetzt eine Begegnungszone, in der Besucher ohne Eintritt verweilen und Kaffee trinken können. Die zuvor dunkel verhängten Fenster des Baus sind, wie schon bei der Lee-Bul-Ausstellung, unverhüllt, das Restaurant neu gestaltet und die Buchhandlung frisch renoviert. Nicht zuletzt eröffnet mit „And Berlin will always need you“ eine Ausstellung, die sich mit der Wiederentdeckung des Handwerks in der Kunst beschäftigt.
Rosenthal knüpft damit an die Geschichte des Hauses an. Das beherbergte von 1881 bis 1921 das frisch gegründete Kunstgewerbemuseum und war vom Architekten Martin Gropius, dem Großonkel des Bauhausgründers Walter Gropius, eigens dafür entworfen worden. Mit der Auflösung der Zünfte und der aufkommenden Massenproduktion im ausgehenden 19. Jahrhundert lockerten sich die Qualitätsstandards im Handwerk. Jeder konnte plötzlich einen Betrieb aufmachen, statt Präzision war Schnelligkeit gefragt. Das neu gegründete Kunstgewerbemuseum verstand sich als Trutzburg des Handwerks, mit Schule, Bibliothek, Zeichenklasse und einer Ausstellung von Gegenständen mit gutem Design.
Wie der Bau damals genutzt wurde, zeigen einzelne Buchseiten, die Chiharu Shiota im Lichthof in ihre riesige Garn-Wolke hat hineinflattern lassen, sie fungieren als gedankliche Notiz, um Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verbinden. Etwas unmittelbarer sieht man den Anspruch höchster Handwerkskunst im hinteren Treppenhaus, das jetzt wieder zugänglich ist. Dort sind die Türstürze und Geländer mit aufwendigen Keramikfliesen verziert. Berliner Handwerk von 1881.
Gropius Bau soll Plattform für Berliner Künstler werden
Wie „Made in Berlin“ heute aussieht, zeigt der Rundgang durch die Ausstellung. Die beiden Kuratorinnen Natasha Ginwala und Julienne Lorz, Letztere ist die neue Chef-Kuratorin am Haus, besuchten Hunderte von Ateliers in der Stadt, um zu erkunden, wie in der zeitgenössischen Kunstszene mit Material und manuellen Arbeitsprozessen umgegangen wird. 17 Künstler haben sie ausgewählt, vom Bildhauer Olaf Holzapfel bis zur koreanischen Konzeptkünstlerin Heague Yang; keine unbekannten allesamt. Die Auswahl zeigt, wo die Reise hingeht. „Der Gropius Bau soll künftig stärker als Plattform für Berliner Künstler fungieren“, sagt Stephanie Rosenthal vor der Eröffnung.
Im Jahr des 100. Bauhaus-Jubiläums ist die Frage nach der Bedeutung des Handwerks wieder virulent. Wenn es im ausgehenden 19. Jahrhundert um Qualitätsstandards und die sich verändernden Produktionsbedingungen ging, in den 1920er Jahren um die soziale Kraft des Gestaltens, worum geht es dann jetzt, in digitalen Zeiten, wo der Computer eigentlich alles besser kann?
Lernfähig bleiben, vielleicht ist das die Devise, die das künstlerische Tun mit den Händen begründet. So wie die Bauhäusler studiert auch die 1972 in Lissabon geborene Künstlerin Leonor Antunes alte Techniken und Muster. Ihre handgefertigten Skulpturen aus Rattan, Leder und Messing hängen wie vertikale Zeichen von der Decke und treten, wegen der nun unverhüllten Fenster, sogleich in einen Dialog mit dem Außen. Die Formen korrespondieren mit den unbelaubten Bäumen vorm Fenster. Abstraktion und Realität treffen aufeinander. An anderer Stelle sieht man durch die Scheiben die Topografie des Terrors, den Ort, an dem die Nationalsozialisten ihre Verbrechen planten, und später die Mauer errichtet wurde, deren Relikte nun von Touristen bestaunt werden. Die Szenerie lädt die Installation von Antje Majewski und Oliver Guesselé-Garai, die sich anhand eines nach Deutschland gelangten kamerunischen Throns mit Bedeutung, Funktion und Wert von Gegenständen beschäftigen, unheilvoll auf. Die Kraft von Objekten und was passiert, wenn sie in Museumssammlungen verwahrt werden, ergründet auch Theo Eshetu mit einer eindrücklichen Zwölf-Kanal-Videoinstallation.
Unbeschwerter wird es im Raum von Dorothy Iannone. Ihre bunten Gemälde und bemalten Objekte führen einmal mehr vor, wie man sich ständig erneuern kann, ohne einer Mode zu folgen, wie man gleichzeitig alt sein kann und jung, ornamental und modern. Die gezeigten Werke umspannen mehrere Jahrzehnte, reichen von den 60er Jahren bis heute. Die 86-Jährige hat kurz vor Ausstellungsbeginn noch ein ganz neues Bild eingereicht. Sie fungiert als Klammer für die in der Schau vertretenen Generationen, als Sinnbild für stetes Tun. Nicht zuletzt geht der Titel der Ausstellung auf sie zurück. „And Berlin will always need you“ soll einer Liedzeile entstammen, mit der Iannone einst ihre Beziehung zu Berlin besang.
Berlin ist durchaus eine Fundgrube, wenn man nach handwerklichen Techniken in der aktuellen Kunstproduktion sucht. Das mag daran liegen, dass sich hier so viele Künstler aus verschiedenen Ländern niedergelassen haben, die auf unterschiedliche kulturhistorische Kontexte und handwerkliche Traditionen zurückgreifen und sich mit indigenen Produktionsprozessen anderswo verbinden.
Rosenthal hat neue Residencies eingeführt
So wie es der in Dresden geborene Olaf Holzapfel tut, der bei den Witchi-Frauen in Argentinien gehäkelte Wandbilder mit abstrakten Mustern machen lässt und sich von den Sorben in der Lausitz den Umgang mit Stroh abguckt. Und selbst bei Holzapfel, dessen Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung stets unter dem Zeichen des Bewahrens steht, schwingt die Frage mit, wer für wen unter welchen Bedingungen produziert.
Handwerk hat auch mit Macht und Ressourcen zu tun. Wer bearbeitet das Material, wer hat das Geld? Die Berliner Künstler Alice Creischer und Andreas Sieckmann kooperierten mit den protestierenden Arbeitern der Brukman-Textilfabrik in Argentinien und haben die Prinzipien der Ausbeutung in Anzüge gestickt. Wer dem Handwerk folgt, landet automatisch auch bei den großen Problemen unserer Zeit.
Und was ist die Aufgabe eines Ausstellungshauses in bewegten Zeiten? Seit Stephanie Rosenthal, eine ausgewiesene Expertin für zeitgenössische bildende Kunst, den Gropius Bau übernommen hat, bangen viele um die kulturgeschichtlichen und archäologischen Ausstellungen, die dort unter Gereon Sievernich viel Publikum anzogen. „Die wird es weiterhin geben“, beruhigt Stephanie Rosenthal, die den Gropius Bau nach 17 Jahren von Sievernich übernahm. „Aber selbst in einer Wikinger-Ausstellung würde ich den Bezug zu aktuellen, gesellschaftspolitisch relevanten Themen hervorheben.“ Rosenthal, die zuvor Kuratorin an der Londoner Hayward Galerie war, sieht den Gropius Bau auch verstärkt als Ort der künstlerischen Produktion, mit schnellem Entertainment hat sie nichts im Sinn. So hat sie etwa die einjährigen Residencies eingeführt, bei denen ein Künstler oder eine Künstlerin ein Jahr lang im Haus arbeitet, wie im Moment die Documenta-Teilnehmerin Otobong Nkanga. Ob das Haus damit sein Profil stärken kann? Es gehe weniger um das Profil als um die Energie in dem Gebäude, das schließlich gebaut worden sei, um „Künstlern die Möglichkeit zu geben, zu kreieren“, sagt Rosenthal. An diese Tradition will sie anknüpfen, will Künstler und Stadtgesellschaft verbinden. Ihre Einladung fürs Wochenende steht.
Bis 16. Juni, Gropius Bau, Mi bis Mo 10-19 Uhr; Sa und So 23. und 24. März: freier Eintritt in den Lichthof, Führungen, Workshops, Performances, Artist Talks