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Pete Doherty.
© Kevin Westenberg

Babyshambles: Gossenkaterpoesie: Pete Dohertys neues Album

Nach sechs Jahren Pause präsentieren sich Pete Dohertys Babyshambles mit dem Album „Sequel To The Prequel“ ungewöhnlich aufgeräumt und stilistisch vielfältig.

Mal ehrlich, wer hat sich in den letzten Jahren noch für die britische Skandalnudel Pete Doherty interessiert? Irgendwann erlahmt jeder Voyeurismus, zumal die unglamourösen Schlagzeilen der jüngeren Zeit wie „Doherty schuldet der Justizkasse 30 000 Euro“ oder „Doherty an Einbruch in Regensburger Plattenladen beteiligt“ nicht an seine wilden Jahre heranreichten, als er mit Vollgas die vielleicht beste britische Band des 21. Jahrhunderts, die Libertines, gegen die Wand fuhr und mit prominenten Gespielinnen wie Amy Winehouse und Kate Moss Bett und Nadel teilte. Den finalen Abgang in den Rockstarhimmel mit 27 hat Doherty verweigert. Schnell gelebt hat er, jung sterben mochte der inzwischen 34-Jährige offenbar nicht.

Jetzt erscheint, nach sechsjähriger Pause und vier Jahre nach Dohertys Solodebüt „Grace/Wastelands“, das dritte Album seiner Post-Libertines-Band Babyshambles. Überraschend ist das deshalb, weil der Musiker Pete Doherty zuletzt immer sporadischer in Erscheinung trat und die Anzahl schauriger Konzertauftritte die wenigen Inspirierten bei Weitem überstieg. Sollte da noch etwas kommen oder hatte hier einer sein Talent verschwendet? „Sequel To The Prequel“ (Parlophone/Warner) erfindet die Rockmusik nicht gerade neu, und nach ersten Hördurchläufen schält sich kein Überhit wie „Fuck Forever“ heraus, mit dem Doherty auf der ersten Babyshambles-Platte eine Generationenhymne gelungen war. Aber, und das ist in Zeiten kollektiv schwächelnder Britpop-Routiniers bemerkenswert, keines der zwölf Stücke wirkt belanglos oder wie ein Füller, um auf standesgemäße 40 Albumminuten zu kommen.

Im Gegenteil: Doherty präsentiert sich von seiner besten Seite, was auch daran liegen könnte, dass er die Songs nicht allein, sondern mithilfe der anderen Bandmitglieder schrieb. So hämmern die Babyshambles wunderbar scheppernde Postpunk-Kracher raus („Fireman“), zollen den hypnotischen Akkordprogressionen der späten Velvet Underground Tribut („Farmer’s Daughter“), rumpeln sich durch klassischen Nuller-Jahre-Postpunk („Nothing Comes To Nothing“) und verlegen Stolpersteine wie das verblüffende Beschleunigungsbreak bei „Penguins“ oder die Bass-Eruption bei „Seven Shades“. Dazu singt Doherty mit seiner kratzig-betörenden Gossenkaterstimme und spielt eine elaborierte Leadgitarre, die er im abschließenden „Minefield“ gar zu elektrischen Gewitterstürmen auftürmt.

Das Klangbild der Babyshambles ist luftig und vermeidet Drogenrock-Klischees

Er erlaubt sich eine entspannte Exzentrik, die bei großen britischen Popmusikern einfach dazugehört. Das in ein nostalgisches Vaudeville-Bad mit schäumendem Piano getauchte Titelstück erinnert an ähnliche Schnurren von Roxy Music. Es trifft auf den hinreißenden Schiebermützen-Ska „Dr. No“ oder Dohertys Ausfallschritt in Richtung Folk mit „Picture Me In A Hospital“, dessen trotziger Durchhaltetext (there’s still a song für me / and I’m still around to sing it“) mit der bukolischen Lieblichkeit des Arrangements kontrastiert. All das umarmt Pete Doherty mit spielerischer Leichtigkeit.

„Sequel To The Prequel“ wirkt trotz seiner stilistischen Bandbreite aufgeräumter als die bisherigen Babyshambles-Alben. Das könnte an der ordnenden Hand von Stephen Street liegen, dessen natürlicher Autorität – immerhin produzierte er von Doherty respektierte Britpop-Legenden wie Morrissey und Blur – es offenbar gelang, das Chaos vor der Studiotür zu halten und die Babyshambles zu einer disziplinierten Arbeits- und Spielweise zu motivieren. Was sich in einem luftigen Klangbild manifestiert, das die handelsüblichen Drogenrock-Klischees sanft aushebelt.

Natürlich ist diese Platte ein wenig aus der Zeit gefallen, sie hätte auch vor fünf oder zehn Jahren erscheinen können. Den jungen Erneuerern der britischen Popmusik, den James Blakes, Jake Buggs oder King Krules, hat Doherty wenig entgegenzusetzen außer seiner Zähigkeit und Leidenschaft. Er ist wie der alte Freund, den man aus den Augen verloren hatte, weil er weder auf Postkarten noch E-Mails reagiert. Und der dann plötzlich auf der Geburtstagsfeier auftaucht und den Abend zu etwas Besonderem macht.

Leider bleibt er ein Freund, um den man sich sorgen muss. Machten im Vorfeld der Veröffentlichung Gerüchte die Runde, Doherty sei clean und dabei, sein Leben in den Griff zu kriegen, klang das in einem Interview mit der britischen Journalistin Sylvia Patterson ganz anders. Doherty berichtet vom Kesseltreiben der Yellow Press in England, seinem Exil in Paris und seiner Furcht vor der anstehenden Tournee. Seine Aussagen und sein physischer Zustand lassen wenig Zweifel daran, dass das irrlichternde Genie Pete Doherty immer noch eine gefährdete Existenz ist.

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