zum Hauptinhalt
Filmszene aus "Gold": Nina Hoss steigt aufs Pferd, im Bildhintergrund Marko Mandic als Packer.
©  Schramm Film

Thomas Arslans Western "Gold": "Gold" - eine Frau geht ihren Weg

Thomas Arslan, Filmregisseur der Berliner Schule, sucht das Abenteuer. Mit "Gold" hat er in der kanadischen Wildnis einen eigenwilligen Western um deutsche Goldsucher gedreht - mit Nina Hoss in der Hauptrolle.

Sie steigt aus dem Zug, sauber zurechtgeputzt, mit Hut und Tuch und gebügelter Bluse. Sie schaut sich suchend um, Emily Meyer, eine deutsche Auswanderin in British Columbia, es ist die Zeit des Klondike-Goldrauschs. Hundert Filmminuten später hat sich die Fremde in eine Westernheldin verwandelt, eine Frau, die sich allein in einer Männerwelt behauptet, die reiten gelernt hat und die Berge und Wälder kennt, die Gier nach dem Gold, die Mühsal, die Liebe, den Tod.

Thomas Arslan erkundet gern Gangarten, in "Gold" die schier endlose Reise der Goldsucher

Nina Hoss reitet für Berlin, hieß es bei der Uraufführung von „Gold“ auf der Berlinale, denn der poetisch-spröde Spätwestern stammt von Thomas Arslan, Regisseur der Berliner Schule, Protagonist einer Ästhetik der Langsamkeit. Bisher hatte der 51-jährige Filmemacher seinen wachsamen Blick auf die eigene Umgebung gerichtet, auf türkische Kids, später auf Gangster, in seiner Kreuzberg-Trilogie („Geschwister“, „Dealer“, „Der schöne Tag“) oder im Berlin-Thriller „Im Schatten“. Schöne Idee, nach der Erkundung der Großstadtwege die Perspektive zu wechseln und die Deutschen als Migranten zu zeigen (dazu hier ein Interview mit dem Regisseur), ihre Gangarten fern der Heimat, auf unwegsamem Gelände. Mehr als fünf Millionen versuchten damals ihr Glück, die Geschichten der deutschen Abenteurer und armen Schlucker, die im 19. Jahrhundert nach Amerika gingen, sind bislang kaum erzählt. Etliche, die es in New York oder Chicago nicht schafften, brachen ein zweites Mal auf, vom Goldrausch infiziert, so wie 1898 Emily Meyer.

Kein Zufall, dass Arslan die Hauptrolle Nina Hoss übertragen hat, jener Schauspielerin, die in Christian Petzolds Filmen zum Star der Berliner Schule wurde. Ob als „Yella“ oder „Barbara“, immer ist sie eine, die sich in einer feindlichen Welt behauptet, immer eine, die schießt, wenn es sein muss. Arslan filmt gern Menschen im Wartestand, vor der Tat, vor dem Ziel. Diesmal filmt er das Unterwegssein, ein elender, endloser Treck vom Bahnhof in Ashcroft Richtung Dawson zum Klondike River, eine Reise, bei der die Wege sich in der Wildnis verlieren, die Packpferde vor Erschöpfung tot umfallen und die Menschen die Zivilisation hinter sich lassen, weil die Strapazen ihnen Gesundheit, Würde und Anstand rauben.

Am Anfang sind es fünf Männer und zwei Frauen, man siezt sich und redet nicht viel, steigt unbeholfen aufs Pferd. Laser, der Anführer (Peter Kurth), der eine angenehme Reise verspricht, aber die Gegend nicht kennt. Boehmer, der Packer (Marko Mandic), auf der Flucht vor rachsüchtigen Viehdieben. Müller, Journalist und Großmaul mit Kodak-Kamera (Uwe Bohm). Rossmann, der herzensgute Familienvater (Lars Rudolph), den die Unwirtlichkeit der Berge in den Wahnsinn treibt. Schließlich das Ehepaar Dietz (Rosa Enskat, Wolfgang Packhäuser), das die Truppe bekocht und als Erstes kapituliert. Am Ende ist da nur noch Emily Meyer, mit zerschlissenen Kleidern und zerschlissener Sehnsucht. Die Zeit hat sich bis zum Zerreißen gedehnt und ist implodiert, im kurzen Showdown, bei dem auch die Liebe auf der Strecke bleibt, nicht aber Emilys Hoffnung auf so etwas wie Glück.

Deutsche Auswanderer, das Thema hat Konjunktur

Dass die Fremde die Goldsucher zerstört und verschlingt, dass sie Misstrauen und Machtkämpfe gebiert, Verrat und Selbstjustiz, dass eine Bärenfalle zuschnappt, ein Bein abgesägt werden muss, Wölfe heulen und ein Mord begangen wird, geschieht bei Arslan in aller Stille, unterbrochen von Schwarzblenden. Auch das Spiel der Darsteller verweigert die vollständige Fiktionalisierung, immer denkt man: Da reiten Nina Hoss und Lars Rudolph und Uwe Bohm, sie sind kostümiert, sie gehören hier nicht hin. Aber das Ungelenke steht ihnen.

Um 14 Minuten hat Arslan „Gold“ seit der Berlinale gekürzt, damit die zäh fließende Zeit nicht vollends stillsteht. Enger und enger schließt der Wald sich zusammen, entfaltet eine bedrohliche Magie, als Armada verkohlter Baumstämme, als Flechtwerk und Unterholz, mit sirrenden Mücken und flirrender Sonne. Solche Naturbilder sind selten im deutschen Film. In Venedig hat Anfang September Edgar Reitz’ „Die andere Heimat – Chronik einer Sehnsucht“ Premiere, es geht um deutsche Auswanderer. Das Thema, so scheint es, hat Konjunktur.

In Berlin in den Kinos Cinemaxx, Filmtheater am Friedrichshain, fsk am Oranienplatz und Kant

Zur Startseite