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Die neue Bleibe der Gurlitt-Sammlung in Bern.
© Reuters
Update

Was wird aus der Sammlung Gurlitt?: Glück und Bürde

Cornelius Gurlitt hat seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern vermacht. Dort weckt sie ambivalente Gefühle, denn die mit dem Erbe verbundenen Verpflichtungen sind hoch. Zugleich entwickelt Bayern neue Begehrlichkeiten. Und der Londoner Museumschef Roth sagt: Die Sammlung passt in kein Kunstmuseum.

War es am Dienstag, am Tag von Cornelius Gurlitts Todesnachricht noch ein Gerücht, dass sein Nachlass an eine Institution im Ausland gehen würde, so folgte kurz darauf Gewissheit. Schon wenige Stunden später erfuhr der Direktor des Kunstmuseums Bern von den Anwälten des verstorbenen Kunsthändlersohns, dass der 81-Jährige das Haus als alleinigen Erben bestimmt hatte. Die Verblüffung hätte nicht größer sein können – auf deutscher wie Schweizer Seite.

Doch Matthias Frehner, Leiter des ältesten Kunstmuseums der Schweiz mit permanenter Sammlung, hat sich schnell gefangen. Innerhalb kürzester Zeit ist die Überraschung, das ungläubige Staunen zugunsten einer nüchternen Güterabwägung gewichen. In ersten Interviews gibt sich der Museumschef bereits bedeckt bei der Frage, ob er das Erbe auch antritt oder die millionenschwere Gabe nicht eher zur Belastung werden könnte. Der Stiftungsrat des vor wenigen Jahren noch finanziell angeschlagenen Hauses will zunächst prüfen, ob das Museum den damit verbundenen Anforderungen überhaupt gerecht werden kann.

Die verhaltene Freude ist Frehner nicht zu verdenken, handelt es sich doch in der Tat um ein Danaergeschenk. Gurlitts Kunst ist belastet, ihre Vorgeschichte ist sie mit dem Grenzübertritt noch lange nicht los. Das Museum erbt die Bilder, sowohl das in München beschlagnahmte Konvolut aus Gurlitts Schwabinger Wohnung als auch die vor wenigen Wochen in Salzburg aufgetauchten Werke. Damit erbt es aber auch die von Gurlitt eingegangenen Verpflichtungen. Ingeborg Berggreen-Merkel, Leiterin der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“, beeilte sich sogleich mitzuteilen, dass die mit dem Bund und dem Freistaat Bayern Anfang April unterzeichnete Vereinbarung auch die Erben bindet. So ist auch das Museum verpflichtet, die Sammlung auf Raubkunst untersuchen zu lassen und, sollten sich Anspruchsteller melden, die betreffenden Werke zu restituieren.

Angebot der Bundesregierung: Die Provenienzrecherche wird weiter betrieben

Immerhin ist das von der bundesdeutschen Regierung eingesetzte Forscherteam bereit, die Provenienzrecherche auch weiterzubetreiben. Auf Berggreen-Merkels Angebot reagierte Matthias Frehner allerdings verhalten, denn die Frage der Finanzierung ist nicht geklärt. „Ich kenne die Leute in dieser Taskforce nicht, und ich weiß nicht, ob wir den Grad unseres Einflusses noch verbessern können“, erklärte er der „Süddeutschen Zeitung“.

Restitution stellt für ihn eine Selbstverständlichkeit dar, hat er doch als früherer Kunstredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“ immer wieder Texte über Raubkunst publiziert und insbesondere die Versteigerung der von Nazis konfiszierten Werke in der Schweiz untersucht. Ob dies der Grund ist, dass Cornelius Gurlitt ausgerechnet sein Museum als Erbe ausgewählt hat? Vermutlich wird man es niemals erfahren.

Frehner und Gurlitt sind einander nie begegnet. Eine Verbindung zwischen dem Haus und dem Sammler könnte der Berner Kunsthändler Eberhard Kornfeld sein, der ein Förderer des Museums ist. Er war es, von dem Gurlitt jenes Bündel 500-Euro-Scheine für verkaufte Bilder erhielt, mit dem er sich auf der Zugfahrt aus der Schweiz zurück nach München für die Zollfahnder als Steuersünder verdächtig machte – der Auslöser für die ganze Affäre. Ein anderer Grund könnte die vor vier Jahren in der Münchner Hypo-Kunsthalle präsentierte Ausstellung des Berner Kunstmuseums sein, in der das Haus die besten Stücke seiner von der Gotik bis in die Gegenwart reichenden Sammlung zeigte, Werke von Monet, Hodler, Picasso, Giacometti, Rothko, Dalí. Vielleicht hat Cornelius Gurlitt sie damals gesehen und sich ihrer erinnert. Ein Kreis würde sich schließen.

Bayern macht in der ganzen Angelegenheit eine schlechte Figur

Für das Berner Kunstmuseum stellt die Sammlung Gurlitt einen Gewinn dar, sind die möglichen Ansprüche von Nachfahren früherer jüdischer Besitzer erst einmal geklärt. Auf die rund 400 von der Taskforce online publizierten Bilder gab es bislang kaum Reaktion. Schon hat das bayerische Kultusministerium angekündigt, untersuchen zu lassen, ob einzelne Werke ins „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ gehören und nicht ausgeführt werden dürfen. Etwas geschmacklos kommt es einem schon vor, dass sich der bayerische Staat, der in der ganzen Angelegenheit eine so schlechte Figur gemacht hat, sich nun im letzten Moment zu bereichern sucht. Mit der überzogenen Beschlagnahmung, der versuchten Geheimhaltung und der uneffektiven Bearbeitung durch eine einzelne Kunsthistorikerin war das Land in die Kritik geraten.

Am Samstag äußerte sich nun auch Martin Roth, Direktor des Londoner Victoria and Albert Museums. Als früherer Leiter der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist er mit der Provenienzproblematik bestens vertraut. Bei aller Werktschätzung des Berner Hauses als ältestes Schweizer Kunstmuseum ist Roth davon überzeugt, dass die Gurlitt-Sammlung "aus historischen und ethischen Gründen" in kein Kunstmuseum passt - "vielleicht noch am ehesten als Dauerleihgabe ins Israel-Museum nach Jerusalem". Wer auch immer die Verantwortung übernehme, "wird für lange Zeit traumatisiert sein", so Roth gegenüber dpa. "Aber: Die Bilder können für ihr Schicksal nichts, gegen eine Ausstellung einzelner Werke spricht gar nichts."

Die Sammlung Gurlitt weckt in jedem Fall Begehrlichkeiten, das hatte ihr letzter Hüter schmerzlich zu spüren bekommen. Sollte sie nach Bern gehen, ist ihr eine Gesamtschau sicher, diese Sensation wird sich das Haus nicht entgehen lassen. Schon hat ein Münchner Museum bei den künftigen Erben angeklopft, ob es die Werke dann ebenfalls einmal zeigen darf. Doch danach sollen die Bilder in die ständige Sammlung der Berner Institution integriert werden, soweit es sich um bedeutende Werke handelt. Bei einem Großteil handelt es sich ohnehin um Papierarbeiten, die in den Schränken der Grafikabteilung vor Licht geschützt aufbewahrt werden und nur temporär gezeigt werden dürfen.

Vielleicht wird ein Schild auf ihre Herkunft verweisen, vielleicht das ein oder andere Werk auf den Markt gelangen, um die Kosten des Museums für die Aufbewahrung zu decken. Die Kollektion, die einst die Kunstwelt in Aufregung versetzte, wird dann Vergangenheit sein. (mit dpa)

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