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Goldmädchen. In 19 Kategorien wird die Lola vergeben.
© Kalaene/dpa

Deutscher Filmpreis Lola 2016: Gewonnen hat Konsens statt Mut

Die Deutsche Filmakademie hat mit ihren Lolas vor allem den Film „Der Staat gegen Fritz Bauer“ belohnt. Aber warum ging der schmerzhaft aktuelle Hitler-Film "Er ist wieder da" leer aus?

Merkwürdige Sichtweise, das Auflaufen eines engagierten Mannes gegen Widerstände und bleibende Denkweisen in Deutschland als Vorstellung der Deutschen von sich selbst zu sehen. Und wäre eine Auszeichnung für einen [...] schlechten Film aus scheinbar guten Gründen, nicht genau die Gesinnungs- statt Filmkunstauszeichnung, die in Cannes jüngst fast unisono kritisiert wurde?

schreibt NutzerIn arlekin

Detlev Buck darf sich bestätigt fühlen. Als Präsentator der Preise für Kamera und Szenenbild improvisiert er auf der Bühne im Palais am Funkturm eine vage Lobrede auf die schönen, subkulturellen, unangepassten Neunziger Jahre. Und setzt so freundlich wie listig ein Unbehagen angesichts des neueren Bedürfnisses nach Konsens dagegen. Konsens, das klingt bei ihm, mit abgespreiztem kleinem Finger angefasst, wie ein Igittigitt-Wort, wie Konserve, wie Kompost.

Die Lola-Gala am Freitagabend jedenfalls hat mit Bucks Neunzigern nichts im Sinn - und entscheidet äußerst konsensuell zugunsten des großen Favoriten, Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“. Ein Konsensfilm, ein guter, keine Frage, aber eben ein Konsensfilm. Ein guter Held, von Burghart Klaußner gut gespielt (auch wenn er als wichtigster Protagonist nicht am Preissegen partizipiert).

Eine gute Geschichte auch - ein antifaschistisches Bekenntnis zudem, diese fünf Preise und obendrauf die Goldene Lola für ein filmisches Denkmal auf den großen, aus dem Exil zurückgekehrten jüdischen Juristen, der in den fünfziger Jahren den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann jagte und gegen viele Widerstände die Frankfurter Auschwitz-Prozesse auf den Weg brachte.

Ein Film über unsere unmittelbare Gegenwart

Problematisch allerdings wirkt diese Fast-Unisono-Entscheidung der Deutschen Filmakademie, wenn man auf den prominentesten Verlierer blickt, David Wnendts klugen Hitler-Film „Er ist wieder da“. Fünf Nominierungen - wie das Boxer-Milieudrama „Herbert“, das drei Lolas holte -, aber am Ende kein einziger Preis. Wnendts Film ist die schmerzhafte, unangenehme, zum bösen Mockumentary erweiterte Version des gleichnamigen Bestsellers von Timur Vermes, in dem Adolf Hitler 70 Jahre nach Kriegsende quicklebendig und verblüffend mühelos neue Anhänger um sich schart. „Er ist wieder da“: War er je weg?

In Wnendts Mediensatire, im Herbst 2014 vor Beginn der europäischen Flüchtlingskrise nahezu prophetisch gedreht, reist der unkaputtbare Hitler durch Deutschland und trifft mit eben jenen tatsächlichen Pegida-Deutschen zusammen, die heute mit fetten Wahlergebnissen im Rücken zum Sturm auf die Zivilgesellschaft und die Demokratie blasen. Das ist so erhellend wie verfinsternd und könnte aktueller kaum sein. Hitler changiert hier irritierend von der Witzfigur zum jederzeit reaktivierbaren - und offenbar von vielen gewünschten - Diktator. Ein Film zum Albträumen, ein Film über unsere unmittelbare Gegenwart.

Anfangs fordern die Filmleute bei der Gala sich in Reden Mut ab, Mut zu mutigeren Filmen - Akademiepräsidentin Iris Berben setzt diesen Ton, und in manchen Reden und Danksagungen ist auch später von eben jenem Mut die Rede. Womit man, zumindest rhetorisch, ganz weit weg von Bucks elegant gegeißeltem Konsens siedelt. Nur: „Er ist wieder da“ ist exakt ein solcher Film, ein Zerrspiegel der Deutschen, aber ein grässlich genauer. „Der Staat gegen Fritz Bauer“ dagegen bedient in erster Linie die Vorstellung der guten Deutschen von sich selbst. Sehnsucht gegen Tatsächliches: Mit diesem so eindeutigen Votum bunkert sich die Deutsche Filmakademie in einem Schutzraum ein.  

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