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Die Cartoonband Gorillaz, vorn 2D as known as Damon Albarn.
© Warner

Das neue Album der Gorillaz, "The Now Now": Gerade eben jetzt

Einem Pop-Musiker wie Damon Albarn ist jeder Sound aus jeder Welt recht - bloß stillstehen, das mag er nicht: Das neue Gorillaz-Album "The Now Now"

Damon Albarn ist inzwischen auch schon stramme 50 Jahre alt, und doch gibt es kaum etwas Folgerichtigeres als den Titel des neuen Albums seiner Comic-Band Gorillaz: „The Now Now“. Denn seit der 2002 erfolgten Auflösung von Blur, der Britpop-Band, mit der er zum Großpopstar wurde, hat Albarn alles dafür getan, um bloß nicht zum Rolling-Stones-haften Verwalter des eigenen Pop-Erbes zu werden und in den Stadien dieser Welt nicht „Sympathy For The Devil“, aber eben den „Song 2“ oder „Girls and Boys“ zu spielen. Dazu gehörten die Zusammenarbeit mit dem Clash-Musiker Paul Simonon und dem Fela-Kuti-Drummer Tony Allen in dem Projekt The Good, The Bad and The Queen, die Komposition einer Oper, das Interesse für diverse Spielarten der Weltmusik, und dazu gehörte natürlich die Gründung der Gorillaz Ende der neunziger, Anfang der nuller Jahre, gemeinsam mit dem „Tank-Girl“-Zeichner Jamie Hewlett.

Nachdem er dann das eine oder andere Mal doch rückfällig geworden war, mit Blur-Reunion-Konzerten und auch einem neuen Blur-Album, zeigte sich Damon Albarn insbesondere mit dem auch erst im April 2017 veröffentlichten Gorillaz-Album „Humanz“ musikalisch wieder mitten in der modernen Pop-Gegenwart. Auf diesem tummelten sich die äthiopisch-stämmige US-R&B-Sängerin Kelela oder der kalifornische Rapper Vince Staples, der jamaikanische DJ und Sänger Popcaan oder der britische Soul-Jazz-Sänger Benjamin Clementine, zumeist also recht junge, gerade für Blur-Fans der neunziger Jahre völlig unbekannte Musiker, und entsprechend vielfältig und nowtro klang dieses Album, allerdings schon auch disparat und nicht über die Maßen konsistent.

Die besten Stücke sind "Lake Zurich" und "Tranz"

Das ist jetzt bei „The Now Now“ etwas anders, vor allem weil Albarn fast durchweg am Mikro steht und das Album deshalb mehr ein Damon-Albarn-Soloalbum als ein Gorillaz-Album geworden ist. Wobei man sich nichts vormachen sollte: Federführend bei allen Gorillaz-Werken war natürlich immer Albarn. „I don’t want this isolation/See the state I’m in now“, heißt es in dem „The-Now-Now“-Eröffnungsstück „Humility“, bei dem mit dem Jazz-Soul und Fusion-Gitarristen George Benson einer der wenigen Gaststars zugange ist und hübsch den Funk knackt, (die anderen sind der Westcoast-Rapper Snoop Dogg und der House-Veteran Jamie Principle), und diese Zeile trifft schließlich mehr das durchaus auf musikalische Gemeinschaften zielende Schaffen Albarns als die Stimmung und Gesamtheit dieses Albums.

Das musikalische Gerüst bilden Gorillaz-typisch Synthies und Drumcomputer. Dabei, klar, würden eben jenes „Humility“ oder das großartige Stück „Hollywood“ mit dem schön wehmütigen Refrain „Hollywood is alright/Hollywood is fragrant“ und den Gastbeiträgen von Snoop und Principle auf den anderen Gorillaz-Alben ebenfalls eine gute Figur machen. Oder das schwer in den achtziger Jahren verortete „Tranz“ sowie das noch großartigere, fast rein instrumentale „Lake Zurich“ mit seinem harten Synthie-Rhythmus. insbesondre diese vier Songs sind tolle Popstücke.
Der Rest erschließt sich ein wenig schwerer. An ihm zeigt sich einmal mehr, dass Damon Albarn ein leidenschaftlicher Melancholiker ist, so traurig und elegisch und oft ein wenig krächzend-blechern windet er sich mit seiner Stimme durch Stücke wie „Kansas“, „Magic City“ oder Souk Eye“. Was hat er bloß? Ist es das Alter? Einfach nur eine Attitude? Oder ist es seine gesamte psychische Verfasstheit, die ihn in kreativer Rastlosigkeit Zuflucht suchen lässt?

„Every sound/Every sound from every world, receive/Every world, receiving you/ Anyone /Not anyone of us who is in search/Everyone's receiving you“ heißt es einmal gleichermaßen viel sagend und kryptisch. Doch scheint Damon Albarn stets auf der Suche zu sein, nach Sounds, die zu ihm passen, nach Ideen, nach Atmosphären. Bloß nie stehen bleiben, dafür wacker die Welt abklappern, bloß nicht zurückblicken. Natürlich schöpft auch er mit den Gorillaz häufig aus der Pop-Geschichte, und doch wirkt „The Now Now“ mit seinem glänzenden Popschimmer, als sei es der puren Gegenwart entsprungen.

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