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Der amerikanische Historiker und Schriftsteller Fritz Stern, hier .2007 auf der Frankfurter Buchmesse.
© dpa/Arno Burgi

Historiker Fritz Stern ist tot: Gauck würdigt Stern als "Verteidiger der Freiheit"

Der amerikanische Historiker Fritz Stern ist an diesem Mittwoch in New York mit 90 Jahren gestorben. Für die Bundesrepublik war er eine geistige und moralische Instanz, an die unter anderem Joachim Gauck und Monika Grütters nun erinnerten.

Der Historiker Fritz Stern ist tot. Er sei am Mittwoch friedlich zuhause in New York gestorben, teilte eine Sprecherin des Verlags C.H.Beck in München mit. Stern war am 2. Februar 90 Jahre alt geworden. Er gehörte zu den berühmtesten Historikern der Gegenwart und befasste sich zeitlebens vor allem mit der Kulturgeschichte Deutschlands sowie mit dem Nationalsozialimus, dessen Entstehung und dessen Folgen. Deshalb wurde er gerade in der Bundesrepublik zu einer geistigen und moralischen Instanz.

Seine Memoiren "Fünf Deutschland und ein Leben" (2007) über die Weimarer Republik, Nazi-Deutschland, die Nachkriegs-Bundesrepublik, die DDR und das wiedervereinigte Deutschland wurden zum Bestseller. 2011 erschien sein Buch „Unser Jahrhundert“, die Transkription seines „dreitägigen Gesprächsmarathons“ mit Altkanzler Helmut Schmidt (1918-2015), mit dem er befreundet war.

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Stern als „weisen, großartigen Menschen“. In seinem Lebensweg und seinem Werk spiegele sich die Zeit- und Kulturgeschichte eines ganzen Jahrhunderts, schrieb Gauck am Mittwoch. Sterns Welt- und Menschenbild sei getragen von der Überzeugung, dass Geschichte nicht vorbestimmt sei „und dass daraus die Verantwortung jedes Menschen als handelndes Subjekt erwächst“.

Zu Recht habe Fritz Stern von den Deutschen gefordert, die Verbrechen an den Juden im kollektiven Gedächtnis zu bewahren. „Ich werde diesen bedeutenden und leidenschaftlichen Mann vermissen. Er war ein aufrechter, eingreifender Verteidiger der Freiheit und Würde des Menschen“, betonte Gauck.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sagte anlässlich der traurigen Nachricht: „Mit Fritz Stern verlieren wir einen bedeutenden  Zeitzeugen des Holocaust, der als Historiker Maßstäbe gesetzt hat – und das immer im Geist der Versöhnung." Die große politische Stimme und die Zuversicht dieses wichtigsten  US-amerikanischen Historikers deutscher Herkunft, der die deutsche Geschichte trotz eigener schmerzhafter Erfahrungen mehr als fünf Jahrzehnte mit seinen Analysen und Skizzen klug und wachsam begleitet habe, "werden uns heute mehr denn je fehlen“.

Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte Stern als „einen hochangesehenen Historiker, einen liberalen politischen Denker und einen versierten Kenner der deutschen Zeitgeschichte“. Unvergessen bleibe der 17. Juni 1987, als Stern „auf Einladung des Deutschen Bundestages als erster ausländischer Staatsbürger eine Rede zum Tag der Deutschen Einheit vor dem Parlament hielt“, so Lammert. „Seine freundschaftliche, klare und zugleich mahnende Stimme wird uns fehlen.“

1926 in Breslau geboren, war der Sohn einer traditionsreichen Arztfamilie 1938 gemeinsam mit den Eltern vor den Nationalsozialisten in die USA geflohen, seitdem lebte Stern in New York. Er studierte an der Columbia University und wurde dort Professor. Stern forschte über die Geschichte des modernen Europa im 19. und 20. Jahrhundert und veröffentlichte dazu zahlreiche Werke. Stern galt als großer Kenner Deutschlands, fühlte sich aber „als amerikanischer Bürger“.

Mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt (l) verband Fritz Stern eine langjährige Freundschaft. Hier sitzen sie gemeinsam mit TV-Moderator Reinhold Beckmann vor der Fernsehkamera.
Mit Altbundeskanzler Helmut Schmidt (l) verband Fritz Stern eine langjährige Freundschaft. Hier sitzen sie gemeinsam mit TV-Moderator Reinhold Beckmann vor der Fernsehkamera.
© dpa/Marcus Brandt

Er habe das Glück, in zwei Sprachen und zwei Welten zuhause zu sein, bekannte er öfter. Die Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland bezeichnete er als "zweite Chance": Anlässlich seines 90. Geburtstags am 2. Februar sagte er in einem Interview, letztendlich sei "die Geschichte der Bundesrepublik doch eine Erfolgsgeschichte. Da gelegentlich ein bisschen mitwirken zu können, war mir eine Freude - nicht nur um Deutschland willen, sondern um Europa und in gewissem Sinne auch um Amerika."

Sein Leben lang setzte sich Stern für Deutschland ein. 1990 überzeugte er die britische Premierministerin Margaret Thatcher, dass man vor einem wiedererstarkenden Deutschland keine Angst zu haben brauche. Der frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Holbrooke, nannte ihn einmal einen „lebenden nationalen Schatz“.

Rechtsruck in Europa? Fritz Stern warnte vor einem "Zeitalter der Angst"

Stern war bis zuletzt publizistisch tätig und meldete sich immer wieder in der Öffentlichkeit zu Wort. Angesichts des Rechtsrucks in vielen europäischen Ländern warnte er erst kürzlich vor einem bevorstehenden „Zeitalter der Angst“. „Ich habe mich manchmal beschwert, dass ich aufgewachsen bin mit dem Ende einer Demokratie und jetzt, am Ende des Lebens, die Kämpfe um die Demokratie noch einmal erleben muss. Eigentlich eine traurige Bilanz.“

Der unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Historiker war in zweiter Ehe mit der Autorin Elisabeth Sifton verheiratet, er hat zwei Kinder aus seiner ersten Ehe. Gemeinsam mit Sifton veröffentlichte er 2013 den Band „Keine gewöhnlichen Männer“ über die Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi. Stern war mehrfacher Ehrendoktor, unter anderem an den Universitäten Oxford und Princeton, er erhielt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und zahlreiche weitere Auszeichnungen. (dpa/epd/Tsp)

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