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der Unerhörte. Am Mittwoch starb Wiglaf Droste nach kurzer, schwerer Krankheit in Pottenstein bei Bayreuth. Hier in der Pose des Schäfers.
© Imago

Nachruf auf Wiglaf Droste: Garstig war er nur aus Notwehr

Eigentlich war Wiglaf Droste ein Liebender. Doch er galt als scharfer Niedermacher: Zum Tod des Dichters, Satirikers und Sängers.

Er galt als großer Niedermacher, gnadenlos in seiner Schärfe, unverwüstlich in seinem Furor, dabei unfassbar komisch, der, wenn er etwas Hassenswertes zu fassen bekam, es so ausdauernd in seiner Wortmühle bearbeitete, dass wenig mehr als Staub davon übrig blieb – abgesehen natürlich von dem Genuss, die Macht der Sprache über die Niedrigkeiten der Welt triumphieren zu sehen. Wiglaf Droste war der Maßstab.

Fand er etwas lächerlich oder machte er es, dann war es für einen selbst ziemlich schwer, es weiterhin toll zu finden. Man mochte ihn meistens nicht dafür. Das Los des Niedermachers ist es, einsam zu sein.

Die Nachricht, dass Wiglaf Droste gestorben ist, Schriftsteller, Satiriker, Sänger, mit gerade mal 57 Jahren, kommt aus dem Nichts. Sie traf vielleicht nicht ganz unerwartet ein, weil der robuste Ostwestfale einen selbst für Menschen seines Schlages ungesunden Lebensstil pflegte.

Lange nichts Böses gelesen

Er trank über Gebühr, aß gerne und ausgiebig, dabei Bratensoße über alle Maßen schätzend, war überhaupt ein Genießer, der in seinen besten Jahren an Leibesfülle beständig zunahm. Es muss ihn nicht umgebracht haben. Aber aus dem Nichts kam die Nachricht auch insofern, als dass es in den vergangenen Jahren still um den Mann geworden war, der in den neunziger Jahren als Kolumnist der „taz“ und später der „Weltwoche“ mit einer einzigen giftigen Bemerkung Gesprächsstoff für eine Woche lieferte. Er stand mehr als einmal wegen Beleidigung vor Gericht und sagte bei einer solchen Gelegenheit den schönen Satz: „Ich bin unschuldig, trotzdem werde ich freigesprochen.“ Richtig Böses hatte man schon lange nicht mehr von ihm gelesen.

Ein Gemütsmensch

Nicht, dass es darauf unbedingt angekommen wäre. Sein Sich-Empören über das Verhalten anderer folgte nicht misanthropischen Impulsen. Eigentlich war Wiglaf Droste ein Liebender. Er hielt nichts davon, den Menschen als solchen schlecht zu finden und verantwortlich zu machen dafür, möglichst unerträglich für seinesgleichen zu sein. Droste hatte die Klassiker des Humanismus gelesen, Tucholsky, Heine, Hacks und Hammett. Er verteidigte sie und wofür sie standen, den gesunden Menschenverstand, bis aufs Blut. Nicht der Mensch, höchstens irgendein Menschlein verging sich an den Prinzipien gelingenden Miteinanders, das machte er mit jeder seiner Sottisen klar. Außerdem war er ein Gemütsmensch.

Aufgewachsen in einem Dorf bei Herford, „das Gott irgendwann abgeworfen und dann für immer liegengelassen hatte“, wie Droste schrieb, kam er 1983 zum Studieren nach Berlin. Das klappte nicht so richtig. Das Studieren. Das mit Berlin klappte schon. Den Blick des Provinzlers, der eigentlich von nichts Ahnung hat, aber auch nicht das Gegenteil behauptet, hat er sich in der Mauerstadt bewahrt, die damals tief verstrickt war in die Lagerkämpfe von Altachtundsechzigern, Hausbesetzern und hoch subventioniertem Absahnertum.

Ironisch war ja alles

Er probierte vieles aus. Dann wurde er „Schreiberling“ der „taz“. Kabarettist nannte man ihn bald, und er widersprach nicht. Auch Satiriker war so eine Vokabel, mit der Autoren wie Droste und Max Goldt belegt wurden, weil sie sprachlich ein probates Gegenmittel gegen die politischen und kulturellen Zumutungen ihrer Zeit gefunden hatten. Ironisch war ja damals alles, irgendwie. Dass Drostes Schmähungen und Sprachkritiken vor allem aus Notwehr entstanden, hatte mit Satire nur dem Namen nach zu tun. Er hätte sich auch in echt geprügelt.

Aber der Typus des apodiktischen Querdenkers, weiß, heterosexuell, böse und nicht der ansehnlichste seiner Art, ist schwer in die Krise geraten. Es ist beinahe unmöglich geworden, sich in die Position einer männlichen Meinungsautorität aufzuschwingen und dabei ein Guter zu bleiben. Das dürfte zu Drostes allmählichem Abtritt auf Nebenschauplätze mit beigetragen haben – auf Twitter war Droste nicht vorbereitet.

Porzellanläden durchschreitet er lustvoll

Er verlegte sich darauf, eine Kochzeitschrift herauszugeben – mit seinem Freund Vincent Klink –, während sich um ihn herum eine neue Meinungskultur Bahn brach, die auf 140 Zeichen beschränkt umso mehr Häme verbreitet. Es hat führte dazu, dass seriöse Auftraggeber wie Porzellanhändler denken. Wo jeder politisch unkorrekte Floh zum Skandal-Elefanten aufgeblasen wird, ist kein Platz mehr für einen, der Porzellanläden breitbeinig und lustvoll durchschreitet.

Gefragt nach den Wurzeln seines Antriebs, meinte Droste, dass er sich nicht anders zu helfen wisse als damit, Milieus zu zerschlagen. Sie waren ihm Sümpfe, die es trockenzulegen galt. Denkverbote, attackierte er, ob sie nun im linksalternativen, im linksradikalen, im bürgerlichen, im liberalen oder anarchistischen Milieu gediehen.

Immer, wenn sich ein Konsens seiner selbst zu sicher war, und sei es der, wie mit Sexualstraftätern umzugehen sei, dann stürmte er darauf los, als wollte er ein Feuchtbiotop mit dem Schneidbrenner belüften. Droste war eine Klimakatastrophe für den Eigenmief.

Mit Essen spielt man doch

Einmal hörte er in einer Gastwirtschaft Eltern am Nebentisch zu ihren Kindern sagen, dass man mit dem Essen nicht spiele. Die Herrschaften hatten ihn offenbar nicht bemerkt, denn für diesen untersetzten Kerl, oft mit einem breitkrempigen Hut gekleidet, die Augen schief und funkelnd in einem lustigen Gesicht, war eine solche Bemerkung natürlich ein Fest.

Er begann, den Kartoffelbrei auf seinem Teller zu zerteilen, so dass sich ein See aus brauner Sauce darin bildete. Er türmte die Erbsen auf zu einem Damm. Aus dem Fleisch formte er eine Ritterburg, die über allem prachtvoll thronte und irgendwo hielt noch das Kraut feindliche Heere zurück. Wie er dergleichen vor sich aufbaute, kommentierte er es auch, so dass die Kinder jedes Wort hörten. Er hat damit nicht nur ihr Leben gerettet.

Aus solchen Schilderungen sprach eine Herzlichkeit, die Drostes Miniaturen von denen seiner Kollegen oft unterschied. Diese Wärme drückte sich ganz unumwunden aus, als er zum Sänger wurde. Mit dem Spardosen-Terzett nahm er mehrere famose Alben auf, grub verschüttetes Liedermacher-Liedgut aus („Du kleine Löterin“) oder sang von Liebesdingen mit der Nüchternheit großer Poeten: „Nett sind sie alle.“

Er erfand Worte: ragend, Trittbrettficker

Die Musik schloss eine Seite in ihm auf, der er vielleicht nur deshalb weniger Geltung gab, weil sie ihm kein Geld einbrachte. Was zur tragischen Eintrübung dieses ,unerhörten’ Lebens beiträgt. Denn in der Musik zeigte Wiglaf Droste seinen Instinkt für den richtigen Ton. Er versenkte sich in die ihn prägenden Songs von Randy Newman, James Taylor oder Nick Drake, über dessen Lieder er einmal meinte, sie stünden da „sehr einsam, sehr würdig und sehr ragend“.

Dasselbe kann man von ihm sagen. Ragend. Ein so schönes Wort. Frei erfunden, wie so viele, darunter „nudeln“ oder „Trittbrettficker“, das ihm seinen „taz“-Job zum letzten, dann dritten Mal gekostet hatte. Auch für den Tagesspiegel schrieb Droste sehr gelegentlich. Einmal war das Porträt einer Sängerin mit ihm vereinbart, die er entdeckt hatte. Der Termin war mehrfach von ihm bestätigt worden. Doch als es soweit war, kam kein Text und kein Wort der Entschuldigung. Und Droste stellte es so an, dass man sich schuldig fühlte.

Ach, Wiechlaff.

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