Kiefer, Beckmann, Munch: Frühjahrsauktionen der Villa Grisebach
Die Villa Grisebach will mit ihren Frühjahrsauktionen einen Rekord erzielen. Die Vorbesichtigungen laufen bis 29. Mai. Ein Überblick.
„Ich benutze keine Farben, ich benutze Substanzen, mit denen ich arbeite, wie in einem Labor. Je näher der Betrachter an das Werk herantritt, desto besser ist er in der Lage, die Ereignisse zu erfahren, die das Werk begründen: die Spuren, die Schichten, die Materie, die Gesten, die seine Entstehung ermöglicht haben.“ Mit diesen Worten charakterisierte der 1945 in Donaueschingen geborene Maler Anselm Kiefer die alchemistische Herangehensweise an seine Werke. Wie kein anderer hat er seit dem Beginn seiner Karriere 1969 die Geister geschieden und gehört nun schon seit Jahrzehnten zu den weltweit bedeutendsten Künstlern.
Betrachtet man das monumentale Gemälde, das nun in den Frühjahrauktionen bei Grisebach versteigert wird, entdeckt man genau das, was der Künstler beschreibt: mehrfach übereinander aufgetragene Schichten von Öl- und Acrylfarbe, Harz und Lack, oftmals von feinen Rissen zerfurcht. Rostbraun, Weiß, Anthrazit und Schwarz sind die Farben, die in abstrakter Struktur das Meer, den Horizont und einen Wolken verhangenen Himmel erahnen lassen. Davor hängt, an feinen Fäden befestigt, ein U-Boot aus Blei. Dieses Material hat Kiefer immer wieder für seine geschichtsträchtigen Gemälde und Skulpturen eingesetzt.
Gegenwartskunst weiter als wichtige Säule
700 000 bis 1 Millionen Euro ist der Schätzwert für dieses Bild, das nächste Woche als zweitteuerstes Los der Frühjahrauktionen und als bisher teuerstes in der Sparte der Gegenwartskunst bei Grisebach in der Fasanenstraße unter den Hammer kommt. Damit setzt das Auktionshaus konsequent seinen Kurs fort, die zeitgenössische Kunst neben der Klassischen Moderne als zweite wichtige Säule im Angebot zu etablieren. Als eine von sieben Versteigerungen an vier Tagen soll die Gegenwartskunst nach einem unteren Schätzwert 4,68 Millionen Euro von insgesamt 18,3 Millionen Euro in diesem Frühjahr einspielen und damit das höchste Ergebnis bei Grisebach in diesem Bereich überhaupt.
Größer ist da nur der Anteil der Abendauktion am Donnerstag, die stets die Filetstücke der Saison präsentiert und mit nur 40 Losen allein 6,74 Millionen Euro erbringen soll. Hier ist auch das Spitzenlos der Frühjahrsversteigerungen zu finden: „Weiblicher Kopf in Blau und Grau (Die Ägypterin)“ von Max Beckmann aus dem Jahr 1942, taxiert auf 1,5 bis 2 Millionen Euro. Bei den letzten Auktionen vertraute Grisebach bereits mehrfach darauf, dass ein Gemälde Beckmann die Milliongrenze überschreiten würde. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht.
Verschollenes Werk von Adolph Menzel
Auch diesmal richtet sich die Hoffnung also wieder auf ein Werk von Beckmann, hier ein Frauenbildnis, das der Künstler in schwersten Zeiten des Exils im damals von den Nationalsozialisten besetzen Holland malte. Im Traum war ihm die geheimnisvolle Schönheit erschienen, leicht von unten beleuchtet hielt er sie fest. Außerdem im Angebot der Abendauktion sind das farbenfrohe abstrahierte Gemälde einer von Apfelbäumen gesäumten Straße in Murnau von Gabriele Münter aus dem Jahr 1908 (ab 350 000 €), die fast kubistisch aufgefächerte „Putzmacherin“ von Karl Hofer von 1922 (ab 280 000 €), „Drei Mädchen, schwarz-rot-blau“ von Oskar Schlemmer aus dem Jahr 1932 (ab 200 000 €), ein blumenumkränztes schwebendes Liebespaar als poetischer Ausdruck für die Freude von Marc Chagall aus dem Jahr 1955-57 (ab 500 000 €), vor einem riesigen Dampfschiff posierende Werftarbeiter von Fernand Léger von 1953 (ab 300 000 €) und zwei Lithografien, die in die düster beklemmende Gefühlswelt des Norwegers Edvard Munch entführen (ab 60 000 €).
Seit langem verschollen geglaubt und nun erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich, ist ein großformatiges Pastell, auf dem Adolph Menzel um 1855/56 mit Schlittschuhläufern im Tiergarten die Vergnügungen des modernen Stadtlebens festhielt (ab 250 000 €). Gemeinsam mit dem Aquarell der „Mittelgebirgslandschaft“ von Caspar David Friedrich (um 1828, ab 200 000 €) bildet es den Höhepunkt der Versteigerung von Kunst aus dem 19. Jahrhundert.
Löwenskulpturen aus der Mosse-Sammlung
Besonders hoch sind diesmal auch die Erwartungen der Fotografieabteilung. Dort ist ein Fotogramm von László Moholy-Nagy, das 1923/25 während seiner Zeit am Bauhaus in Weimar entstanden ist, auf einen Schätzwert von 300 000 bis 500 000 Euro angesetzt.
Abgerundet wird das Angebot mit ausgewählten Objekten der Orangerie-Auktion, darunter zwei chinesische Löwenskulpturen aus grauem Kalkstein, die einst zur Sammlung des Berliner Sammlers und Verlegers Rudolf Mosse gehörten (ab 60 000€) und 2015 an dessen Erben restituiert wurden.
Vorbesichtigungen bis 29. Mai, Mo 10 – 18 Uhr, Di 10 –15 Uhr, Fasanenstr. 25, 27, und 73. Die Auktionen finden vom 30. Mai bis 2. Juni statt, in der Fasanenstr. 27.
Angela Hohmann
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