Rudolf Buchbinder spielt Schubert und Beethoven: Freude an purer Virtuosität
Wissen führt zu Freiheit: Rudolf Buchbinder spielt im Rahmen der Harnoncourt-Hommage Werke von Schubert und Beethoven im Konzerthaus.
Wie sein Freund Nikolaus Harnoncourt gilt auch der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder als akribischer Quellenforscher. Im Rahmen der Harnoncourt- Hommage trat Buchbinder jetzt mit Werken von Schubert und Beethoven im großen Saal des Konzerthauses auf. Zum Glück glaubt der Pianist nicht, dass die Beschäftigung mit den Urtexten zu einer einzigen „richtigen“ Lesart führt, die dann bei jeder Aufführung unverändert abgerufen werden könnte.
Im Gegenteil: Erst die intime Kenntnis verhilft laut Buchbinder zur Freiheit, die Werke in jedem Konzert wieder anders aufzufassen. Tatsächlich klingen Schuberts vier Impromtus op. 90 an diesem Abend zugleich natürlich und ungewöhnlich subjektiv. Das durch seine durchlaufende Begleitfigur charakterisierte dritte Stück kommt zwischenzeitlich fast zum Stillstand, im leichthändig dahinperlenden zweiten Impromptu setzt Buchbinder sehr eigenwillige Zäsuren. Das wirkt aber niemals gewollt, sondern eher wie ein Spaziergang durch vertrautes Gelände, in dem der Blick auf Details fällt, die der Aufmerksamkeit bisher entgangen sind. Rührend der Beginn des ersten Impromptus, in dem das unbegleitet einsetzende Thema erst noch Laufen lernen muss und nur zögerlich in den punktierten Rhythmus findet.
Buchbinder interpretiert Beethoven ungeheuer geistreich
Nach der Pause stehen sich Beethovens frühe Sonate op. 14 Nr. 2 und die berühmte „Appassionata“ gegenüber wie eine spielerische Skizze und ihr Ernstfall. Buchbinder interpretiert das erste Werk ungeheuer geistreich und pointiert, das zweite mit fast schon wieder problematischer Mühelosigkeit. Technische Schwierigkeiten sind bei Beethoven ja eine Gestalt des Schicksals, das vom Einzelnen bewältigt werden muss, obwohl es dessen Fähigkeiten überfordert. Weil Buchbinder gar nicht kämpfen muss, klingt die Sonate insgesamt weniger dramatisch, als man sie im Ohr hat. Dafür gelingt eine ungewöhnlich subtile Deutung des langsamen Satzes, in der sich auch in den wiederholten Passagen nichts wiederholt, das Licht mal auf das Thema der rechten, mal auf die Figurationen der linken Hand fällt, bis die Hierarchie von Haupt- und Nebensachen schließlich souverän aufgelöst ist.
Wie bei kaum einem anderen Spezialisten des deutsch-österreichischen Repertoires spürt man auch die Freude an purer Virtuosität – wie in der atemberaubend hingeglitzerten Introduktion einer Johann-Strauss-Zugabe. Für ein Klavierrecital ist der Abend gut besucht, im großen Saal des Konzerthauses bleiben dennoch viele Plätze frei. Wer nicht dabei war, hat viel verpasst.
Benedikt von Bernstorff