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Der britische Autor Salman Rushdie
© Reuters

Salman Rushdie, die Buchmesse und der Iran: Freiheit und Event

Ein politischer Auftritt, der aber auch den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie gehorcht: Salman Rushdie hält am Dienstag eine Rede auf der Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse.

Es ist jedes Jahr so, seit einer halben Ewigkeit. Dienstag um 11 Uhr lädt der jeweilige Buchmessendirektor der Messe zur sogenannten Eröffnungspressekonferenz, ein paar Stunden vor der feierlichen Eröffnung der Frankfurter Buchmesse. Die Regel ist, dass hier das Programm verkündet wird, der Gastlandauftritt, etwaige Neuerungen, vielleicht gar eine Devise, in jedem Fall Zahlen. Eins jedoch wird am morgigen Dienstag anders sein. Es gibt eine Eröffnungsrede, und zwar eine Eröffnungsrede vor der eigentlichen Eröffnungsrede am Dienstagnachmittag, die stets ein Autor oder eine Autorin aus dem jeweiligen Gastland hält, in diesem Jahr Indonesien.

Gehalten wird diese Rede von niemand geringeren als dem britischen Schriftsteller Salman Rushdie, der gerade wieder einen Roman veröffentlicht hat, „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“. Um den dürfte es in seiner Rede aber nur am Rande gehen, sondern um Politik, um Meinungsfreiheit. Gegen Rushdie wurde 1989 durch den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini die Fatwa verhängt, ein Todesurteil. Als ein gewisser Joseph Anton lebte Rushdie in Folge jahrelang im Verborgenen und unter Polizeischutz. Er wurde zum Symbol für die unterdrückte Meinungsfreiheit einerseits, ein Kämpfer des freien Worts andererseits. Ja, und die Messe verkündet in der Person von Buchmessendirektor Jürgen Boos seit einigen Wochen, dass ihre Ausgabe 2015 „die politischste seit langem“ werde, mitsamt einem ihrer Schwerpunktthemen: Meinungsfreiheit. Es liegt da natürlich nahe, mit Rushdie ein starkes Zeichen zu setzen, zumal der Iran seine Teilnahme schon wegen seines Auftritts und seiner „den Islam beleidigenden Bücher“ abgesagt hat (- auch wenn einige iranische Verlage nun trotzdem kommen wollen). Alles richtig gemacht also.

Aber ist das Zeichen der Buchmesse mit dieser Eröffnungsrede außer der Reihe wirklich so stark? Hat Rushdies Auftritt nicht auch etwas Wohlfeiles, gehorcht er nicht primär den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie? Zumal Meinungsfreiheit quasi zur DNA einer Buchmesse gehören sollte. Klar, Rushdie wird dazu einiges zu sagen haben, aber er ist sowieso wegen seines Buches auf Tour. Sein Auftritt erinnert daher ein bisschen an den von Paulo Coehlo im vergangenen Jahr. Auch Coehlo hatte einen neuen Roman draußen, den er in Frankfurt bewerben wollte. Die Buchmesse aber lud den brasilianischen Bestsellerautor gleich noch ein zu einem sogenannten Wortwechsel mit Jürgen Boos über die „Zukunft des Lesens“ im Allgemeinen und die Digitalisierung im Besonderen. Besonders erhellend war dieser „Wortwechsel“ nicht. „Mehr Literatur, weniger Event“, mehr Inhalt, weniger Show, auch das soll die Buchmesse 2015 laut Jürgen Boos sein. Die Einladung Rushdies zur Pressekonferenz zeigt, dass das eine oft nicht ohne das andere zu haben ist.

Gerrit Bartels

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