Ausstellung in Kreuzberg: Frauen machen Fotogeschichte
Abbott, Krull, Arbus und Co.: Eine Kreuzberger Ausstellung untersucht den weiblichen Blick in der Geschichte der Fotografie.
Eine Frau im schwarzen Kleid eilt auf flachen Sandalen eine Gasse in der Altstadt von Florenz entlang. Ein Dutzend Männer schauen ihr hinterher. Das atmosphärische Schwarz-Weiß-Bild stammt von der amerikanischen Fotopionierin Ruth Orkin, auf dem Bild ist Orkins Urlaubsbekanntschaft Ninalee Craig zu sehen. Die beiden hatten sich entschlossen, in Bildern festzuhalten, wie es ist, als junge Frau alleine durch das Europa der Nachkriegszeit zu reisen.
Orkin ist eine von 14 Fotografinnen, die in der Ausstellung „#womenphotographer Vol. I“ im Kreuzberger Projektraum „f3 – Freiraum für Fotografie“ vorgestellt werden. Die Kuratorinnen Gisela Kayser und Katharina Mouratidi zeigen, dass die Fotografie seit dem 19. Jahrhundert keine reine Männerdomäne war.
Interesse an den Ausgegrenzten der Gesellschaft
Wie in vielen anderen Bereichen der Kunst haben Frauen in der Fotografie nicht dieselbe Präsenz wie ihre männlichen Kollegen. Aber natürlich gab es von Beginn an viele, die begeistert mit dem Medium experimentierten, ihre Kreativität auslebten und ihren Lebensunterhalt damit bestritten. Darunter waren Abenteurerinnen wie die Amerikanerin Ruth Orkin, die schon in jungen Jahren mit dem Fahrrad von Los Angeles nach New York fuhr und dabei fotografierte; oder selbstbestimmte Geschäftsfrauen wie die 1918 im sachsen-anhaltinischen Bernburg geborene Rosemarie Pierer, die mit acht Jahren ihre erste Agfa-Kamera von ihrer Mutter geschenkt bekam, ebenfalls viel reiste und später ein gut gehendes Fotostudio in Hamburg betrieb.
Von allen sind höchstens drei Bilder zu sehen, manchmal nur ein einziges. Die Ausstellung will eher die Bandbreite weiblicher Sujets und Herangehensweisen aufzeigen als einen tiefen Blick in das einzelne Œuvre bieten. Die ausführlichen Wandtexte liefern die Stichworte. Typisch für den weiblichen Blick ist ein Interesse für die Ausgegrenzten der Gesellschaft, wie bei der US -Fotojournalistin Dorothea Lange, die in den Dreißigerjahren von einer staatlichen Organisation losgeschickt wurde, um zur Zeit der Großen Depression Armut und Arbeitslosigkeit in den ländlichen Regionen der USA zu dokumentieren.
Vertreten sind Foto-Ikonen wie Berenice Abbott oder Germaine Krull, die die Reportagefotografie prägten. Oder auch Inge Morath aus Österreich, eine der ersten Magnum-Fotografinnen. Von ihr ist ein skurriler Schnappschuss zu sehen, der bis heute eifrig verbreitet wird: ein Lama steckt seinen langen Hals aus einem Auto auf dem Times Square in New York.
Spezifisch weiblicher Themen?
Die Liebe fürs Skurrile und Exzentrische zeigt sich in Reinform bei Diane Arbus. Die Schau präsentiert ihr Porträt „Identic Twins“, ein Bild zweier Mädchen in feierlichen schwarzen Kleidern, das Arbus bei einer Weihnachtsfeier für Drillinge und Zwillinge in New Jersey aufgenommen hat.
Bei den neueren Positionen, von Nan Goldin bis zur 1971 in Jerusalem geborenen Elinor Carucci, geht es vom privaten Raum mit seinen Absurditäten in Richtung schonungslose Selbstbeobachtung. Goldin fotografierte sich selbst und ihre Freunde in privaten Momenten, Carucci zeigt fotografische Chiffren für bestimmte Gefühlzustände und Emotionen.
Die spannende Frage ist: Würde man das spezifisch Weibliche erspüren, kennte man die Bilder nicht und wüsste nicht die Namen der Autorinnen? Einmachgläser, skurrile Pärchen, verweinte Augen und Orangenhaut kann man als weibliche Themen lesen, aber natürlich wurde so etwas auch schon von Männern fotografiert. Dieselben Dinge werden anders betrachtet, je nachdem wer hinter der Kamera steht. Die Fotogeschichte wird erst durch die Frauen komplett.
Freiraum für Fotografie, Waldemarstr. 17., bis 10. Februar; Mi–So 13–19 Uhr