Monika Marons Erzählung "Bonnie Propeller": Frau und Hündin
Der Einsamkeit entkommen, das Tier in sich entdecken: Monika Maron erzählt von ihrer Hündin "Bonnie Propeller" und wie sie diese lieben gelernt hat.
Ein wenig überrascht, um nicht zu sagen: verdutzt, ist man nun doch angesichts dieses ersten Buches von Monika Maron bei ihrem neuen Verlag Hoffmann und Campe: Ein Büchlein ist es vielmehr, kleinformatig, dünn, eine Erzählung von nicht einmal fünfzig Seiten; mit einem Cover, das hübsch anzusehen ist in seinem zarten Lindgrün und mit der Zeichnung eines Mischlinghundes vorne drauf. (Hoffmann und Campe, Hamburg 2020. 56 Seiten)
Es geht schließlich um Marons neuen Hund, der eine erst hässliche und dann immer sympathischer werdende Hündin ist.
Das also soll der erste Aufschlag sein, den der Hamburger Verlag mit seiner neuen Autorin macht. Einer Autorin, die Verleger Tim Jung bei der Verkündung des Wechsels vor ein paar Wochen als „eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen der Gegenwart“ bezeichnete, als wichtige Impulsgeberin für gesellschaftliche Diskurse.
Obwohl damals schon als erste Maron- Veröffentlichung angekündigt, wirkt die Strategie des Verlages etwas merkwürdig und schief, ausgerechnet mit einem Nebenwerkchen, einer relativ zwanglosen, nicht übermäßig bedeutenden Erzählung eine Autorin von eben dieser Bedeutung als Neuzugang vorzustellen. Zumal nach der langen Debatte, die es gab, nachdem der S. Fischer Verlag sich von Maron wegen deren Nähe zu der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen und der Veröffentlichung eines Essaybandes in deren rechtslastigen „Exil“-Buchreihe getrennt hatte.
Bonnie Propeller ist ein "Schnauzermischling"
Andererseits dürfte die Strategie mit der Geringfügigkeit dieses Aufschlags durchaus aufgehen, nicht nur weil das Mini-Format im Trend liegt und zum schnellen Mitnehmen in den Buchhandlungen einlädt.
Sondern auch, weil man sich dieser nüchtern-charmanten Erzählung kaum entziehen kann, selbst dann nicht, wenn man mit Tieren im allgemeinen und erst recht Hunden im speziellen so gar nichts anfangen kann.
„Mein Hund war gestorben und hatte mich in die Einsamkeit entlassen. Ich brauchte einen neuen Hund“, so heißt es auf den ersten Seiten. Danach erzählt Monika Maron zuerst von ihren beiden Hunden, die sie besessen hat: von Momo, der gerade gestorben ist, und Bruno und was diese beiden Rüden für Tiere waren, was sie für einen Charakter hatten.
Und schließlich schildert sie, wie sie zu ihrem neuen Hund mit dem Namen Bonnie Propeller kommt, einem kleinen „Schnauzermischling“, einer Hündin. Die soll es auch deshalb sein, weil die Erzählerin mit ihren fast achtzig Jahren glaubt, womöglich einem Rüden nicht mehr gewachsen zu sein, „ein Tribut an mein Alter und die vermutlich schwindende Kraft.“
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Interessant sind die Übergaben des Hundes, die Maron beschreibt. Denn Bonnie Propeller kommt mit einem Transport aus Ungarn: Die erste Übergabe, die kurz vor Mitternacht in der Nähe von München stattfinden soll, klappt nicht wegen eines technischen Schadens des Hundetransporters.
Die zweite, geplant für morgens um halb fünf auf der Raststätte Michendorf vor den Toren Berlins, ist dann erfolgreich. Wer sich nicht auskennt, fragt sich: Besitzen Käufe und Übergaben von Hunden aus Tierheimen immer konspirativen Charakter?
Wie auch immer: Die livehaftige Bonnie Propeller deckt sich nicht ganz mit den Vorstellungen, die sich die Erzählerin mit Hilfe des Internets von ihr gemacht hatte: struppig, irgendwie verwachsen, keine Schönheit. Und dann verfolgt man durchaus gerührt, wie Frau und Hund zu einem Team werden, wie die Frau nach und nach die vielen guten Eigenschaften von Bonnie Propeller zu schätzen lernt, inklusive der Entdeckung, wie die Hündin zu ihrem Nachnamen kommt.
Ein bisschen Genderdiskurs sträuselt Maron dann auch ein in ihre Erzählung, schließlich stellt sie sich schon die Frage, warum sie als Frau Ende siebzig nicht mehr mit Rüden klar kommen soll, „und hinter der behaupteten Andersartigkeit weiblicher Hunde witterten feministische Hundeliebhaberinnen sofort die Diskriminierung weiblicher Menschen.“
Hunde machen die Menschen menschlich, glauben die Aborigines
Doch groß belasten will sie ihre Hauptfigur damit nicht weiter, schließlich soll das Idyll nicht weiter gestört werden. Anzunehmen, dass Monika Maron mit diesem autofiktionalen Text (in dem am Ende noch eine Dresdner Buchhändlerin auftaucht und eine Lesung in Begleitung des Hundes beschrieben wird) einfach mal ein bisschen verschnaufen wollte.
Insofern spart sie sich auch großartige literarische Verweise etwa auf Thomas Manns „Herr und Hund“; und nicht zuletzt hält sie sich zurück mit tiefer schürfenden Forschungen zum Verhältnis von Mensch und Hund. Ein paar wenige Sätze wie „Den Hund verstehen, bedeutet das Tier in mir zu verstehen“ oder dass es zwischen einem Hund und ihr eben nur um das Elementare gehe, müssen da reichen.
Immerhin erinnern solche Sätze an noch andere Erzählungen als Manns „Herr und Hund“. Beispielsweise den Anfang dieses Jahres auch hierzulande veröffentlichten Roman „Der Freund“ von Sigrid Nunez. Darin geht die amerikanische Schriftstellerin der Beziehung zwischen Mensch und Tier recht intensiv auf den Grund. Nunez’ Erzählerin zieht Autoren wie Karl Kraus, J. M. Coetzee oder Milan Kundera zu Rate, analysiert die therapeutischen Fähigkeiten ihres Hundes, in diesem Fall eine riesige Dänische Dogge, fragt sich, ob sie noch alle Sinne beisammen hat, wenn sie mit diesem wie mit einem geliebten Menschen in einem Bett schläft oder ihm Rilkes „Briefe an einen jungen Dichter“ vorliest.
Vor allem aber gefällt Nunez der „Glaube der Aborigines, dass Hunde die Menschen menschlich machen.“ Ob dem wirklich so ist? Marons Hündin jedenfalls ist eine liebenswerte literarische Figur.
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