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Nach rechtsaußen gedriftet. Rolf Peter Sieferle, 2005.
© Wikipedia/Hans-Jürgen van de Laar. Regina Sieferle (privat)

Nach Eklat um rechtsradikales Buch: Finis Sachbuchliste

Das rechtsradikale Pamphlet "Finis Germania" hatte es im Juni auf die Empfehlungsliste von NDR und SZ geschafft. Nun steigt die SZ aus. Und der "Spiegel" geht auf Distanz zu seinem verantwortlichen Juror.

Die Empfehlungsliste „Sachbücher des Monats“, die seit mehr als 15 Jahren vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) und der "Süddeutschen Zeitung "(SZ) präsentiert wird, steht vor dem Aus. Die SZ hat angekündigt, die Veröffentlichung einzustellen. Damit ziehe sie die Konsequenz aus einer „unzureichenden und intransparenten Nominierungspraxis“, die dazu geführt habe, dass das „rechtsextreme“ Buch „Finis Germania“ des Historikers Rolf Peter Sieferle auf die Juni-Liste geraten sei. Der NDR hatte bereits die Zusammenarbeit mit der Jury „bis zur vollständigen Aufklärung“ ausgesetzt. Zu retten ist die Liste nun wohl nicht mehr.

Erschienen ist Sieferles 100-Seiten-Pamphlet im rechtsradikalen Antaios Verlag, der vom Publizisten und Politaktivisten Götz Kubitschek betrieben wird und zum Netzwerk der Neuen Rechten gehört. Auf die Liste gebracht worden war „Finis Germania“ von einem einzigen Juror, Johannes Saltzwedel vom Nachrichtenmagazin „Spiegel“, durch die Akkumulation seiner Punkte. Saltzwedel beteuert, dass er das „sehr provokante Buch“ nur „zur Diskussion“ habe stellen wollen. „Man möchte über jeden Satz mit dem Autor diskutieren, so dicht und wütend schreibt er.“

Völkischer Sound

Sieferle, der sich im letzten Jahr das Leben nahm, spricht ganz im Sound der Verschwörungstheoretiker von einer „Umvolkung“, der die „ethnisch-deutsche Bevölkerung“ weichen solle. Auschwitz nennt er einen „Mythos“. Möchte man darüber wirklich diskutieren, über jeden Satz? Vor dem öffentlichen Outing als Fürsprecher von „Finis Germania“ hatte Saltzwedel den anderen Jury-Mitgliedern Illiberalität und „Konsenswärme“ vorgeworfen und seine Entscheidung als „Votum gegen einen Zeitgeist, der die Preisgabe der europäischen und der deutschen Kultur zugunsten eines diffusen Weltbürgertums propagiert“ gerechtfertigt.

Beim immer noch als links geltenden, manchmal sogar weltläufigen „Spiegel“ ist man über Saltzwedels Engagement für ein rechtes Traktat entsetzt. „Ich habe nach der Lektüre der wesentlichen Kapitel kein Verständnis dafür, dass der Kollege Saltzwedel dieses Buch empfohlen hat“, sagt Chefredakteur Klaus Brinkbäumer.

Ende Deutschland

Ende Der Titel "Finis Germania" könnte auf eine Genitiv-Schwäche hindeuten. Wenn Rolf Peter Sieferle das Ende Deutschlands meinte, hätte er gramatikalisch korrekt vom "Finis Germaniae" sprechen müssen. Mit diesen Worten kommentierte Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg im Ersten Weltkrieg sarkastisch den Beginn des uneingeschränken U-Boot-Kriegs durch Deutschland, der seiner Meinung nach zum Kriegseintritt der USA und der Niederlage des Deutschen Reichs führen musste. Doch Sieferle war offenbar lateinfest. Der Historiker lehrte Neuere Geschichte an der Universität Mannheim und später in St. Gallen. Seine Formulierung, so wird im Netz orakelt, muss einen Hintersinn haben. "Finis Germania": Deutschland Ende. Meinte Sieferle vielleicht quasi-vokativisch "Schluss jetzt, Germania"? Oder "Das Höchste (ist) Deutschland"?

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