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Gedenkstätte Auschwitz.
© AFP

Skandal um die "Sachbücher des Monats": Besondere Empfehlung: rechtsradikal

Spiegel-Redakteur Johannes Saltzwedel, der das rechtsradikale Büchlein "Finis Germania" für die NDR-Sachbuchliste empfohlen hat, hat die Jury verlassen. Doch jetzt steht die Zukunft des gesamten Projekts in Frage.

Seit mehr als 15 Jahren funktionierte die Liste „Sachbücher des Monats“, die vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) und der „Süddeutschen Zeitung“ präsentiert wird, wie ein perfekter Filter. Die Bücher, die dort empfohlen wurden, waren zuverlässig lesenswert. Aber jetzt ist auf einmal fraglich, ob es überhaupt weitergeht, mit der Liste und dem Lesen. „Ich hoffe, dass die Liste noch lebt“, sagt der ehemalige NDR-Redakteur Andreas Wang, der das Projekt betreut. „Aber genauso gut kann es sein, dass die Sache schiefgeht, dass es auseinanderknallt.“

Schiefgegangen ist bereits am Freitag etwas, als die aktuelle Liste herauskam. Unter Büchern von Ulrike Guérot („Der neue Bürgerkrieg“), Georg Seeßlen („Trump!“) und Dieter Borchmeyer („Was ist deutsch?“) findet sich auf Platz 9 das Traktat „Finis Germania“ von Rolf Peter Sieferle. Erschienen ist das 100-Seiten-Bändchen, der gegen eine deutsche Kollektivschuld „von metaphysischer Dimension“ wettert, im rechtsradikalen Antaios Verlag. Er wird vom Publizisten Götz Kubitschek betrieben, der auf seinem sächsisch-anhaltinischen Rittergut Schnellroda auch das „Institut für Staatspolitik“ leitet, einen Thinktank der Neuen Rechten.

Sieferle, ein einstmals renommierter Umwelthistoriker, der sich später radikalisierte und laut „FAZ“ „giftige, rechtsradikale Bücher“ schrieb, hat sich im letzten Jahr das Leben genommen. Die Untergangsvision „Finis Germania“ ist sein skizzenhaftes Vermächtnis. Dort spricht Sieferle vom „Mythos Auschwitz“ und verkündet geschichtsrevisionistisch: „Bei dem heute so populären Auschwitz-Komplex handelt es sich um den Versuch, innerhalb einer vollständig relativistischen Welt ein negatives Absolutum zu installieren, von dem neue Gewissheiten ausgehen können.“

Der Sendeplatz ist erstmal weg

Wie konnte ein solches (Mach-)Werk auf eine angesehene Empfehlungsliste gelangen? Es lag am Abstimmungsverfahren. Die 25 Juroren verteilen zusammen jeweils 20 Punkte auf vier Bücher. Um Kleinverlagen eine Chance zu geben, bleiben allerdings die Punkte für nicht platzierte Bücher stehen. Sie können akkumuliert werden. Genau das ist jetzt geschehen. So hat ausgerechnet ein Redakteur des immer noch als links geltenden Magazins „Spiegel“ ein rechtsradikales Buch in die Top Ten gehievt. Johannes Saltzwedel rechtfertigt sich damit, er habe „bewusst ein sehr provokantes Buch der Geschichts- und Gegenwartsdeutung zur Diskussion bringen“ wollen. Sieferles Aufzeichnungen seien die „eines final Erbitterten, gewollt riskant formuliert in aphoristischer Zuspitzung“.

Aufgefallen war der „Spiegel“-Kritiker schon im März 2016, als er im Rahmen der Bestenliste eine „besondere Empfehlung“ für den Band „Massendemokratie“ von Peter Furth aussprach, der vor einem Endkampf zwischen „Aufstandsmassen und Unterhaltungsmassen“ warnt. Publiziert hat das Werk ein anderer rechtsradikaler Kleinverlag, dem Landtverlag, einem Imprint des Manuskriptum Verlags, der auch Akif Pirinçcis Beschimpfungsorgie „Deutschland von Sinnen“ herausbrachte. Saltzwedel beteuert, er habe „das Renommee der Sachbuch-Bestenliste“ nicht beschädigen wollen und trat am Montag aus der Jury aus.

Damit folgte er „SZ“-Sachbuch-Redakteur Jens Bisky, der am Sonntag gegangen war. Aus Protest gegen die Platzierung des Antaios-Buches auf der Liste. Auch der NDR distanziert sich. Barbara Mirow, Leiterin der NDR-Kulturwelle, spricht von einer „gravierenden Fehlentscheidung“ der Jury und setzt die Zusammenarbeit „bis zur vollständigen Aufklärung“ aus. Sprich: Der Sendeplatz ist erst einmal weg. Juryleiter Andreas Wang möchte die Liste durch Reformen retten. Das Akkumulieren der Punkte soll aufhören. Mehr Transparenz soll dadurch hergestellt werden, dass die Liste von den Juroren künftig vor der Veröffentlichung gegengelesen werden. Eigentlich könnte eine Top Ten lesenswerter Sachbücher eine tolle Sache sein.

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