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Kuaför Özcan Yildirim aus Köln.
© Heike Fischer

Dokumentation „Der Kuaför aus der Keupstraße“: Filmische Spurensuche: Das NSU-Attentat in Köln

Andreas Maus erforscht in seinem Dokumentarfilm „Der Kuaför aus der Keupstraße“ die Hintergründe des rechtsextremen Nagelbomben-Attentates von Köln vor zwölf Jahren.

Die Einrichtung erinnert an das Bühnenbild von Lars von Triers Film „Dogville“. Wie auf einer Karte sind auf dem dunklen Boden mit Kreide Raumgrenzen aufgezeichnet, darin als Mobiliar spärliche Requisite: Caféhausstühle, Laden-Vitrinen oder Frisiersessel.

Später auch Menschen. Es ist ein stark stilisiertes Modell der Keupstraße im Kölner Stadtteil Mülheim, das für diesen Film in einem Kulturzentrum aufgebaut wurde. Die türkisch geprägte Einkaufsstraße wurde am 9. Juni 2004 durch die Explosion einer auf einem Fahrrad vor einem Friseursalon abgestellten Nagelbombe erschüttert. Verantwortlich für den Anschlag waren die Neonazis der NSU. Bevor ihre Urheberschaft im November 2011 ans Licht kam, waren viele der ansässigen Geschäftsleute jahrelang selbst als Täter verdächtigt und schikaniert worden.

Noch einmal drei Jahre später hat der Filmemacher Andreas Maus dem Komplex einen Dokumentarfilm gewidmet, der ein von viel Politprominenz besuchtes Straßenfest zum zehnten Jahrestag des Attentats als Erzählrahmen nutzt. Darin lässt er den „Kuaför aus der Keupstraße“, Frisör Özcan Yildirim, seinen Bruder Hassan und andere Bewohner selber auftreten. Einen Juwelier, eine Hochzeits-Ausstatterin, einen kurdischen Plattenverkäufer. Aber auch den damaligen Polizeipräsidenten Klaus Steffenhagen, der sich nicht zur Sache äußern will.

Wohl auch wegen solcher Verweigerung lässt Maus dokumentierte Verhördialoge von Schauspielern spielen und macht so aus dem Zusammenspiel zwischen den persönlichen Erinnerungen und der Aktenlage das polizeiliche Vorgehen detailliert plastisch. Dies ging schon sehr bald nur noch in eine Richtung (Stichwort: Türsteher-Milieu) und bastelte sich aus gelegentlichen Besuchen von Yildirim im „Goldenen Eck“ mit Kartenspiel und Oddset-Wette gleich einen Mafioso.

Deutlich wird, wie die von den Opfern von Anfang an geäußerte Vermutung rechtsradikaler Täterschaft sogar zur Verschärfung der Vorwürfe ihnen gegenüber führte. Nebenbei werden aber auch Widersprüche zwischen den Opfern des Anschlags und ihren Unterstützern angesprochen. Was stört, ist ein Sounddesign, das der gut gemachten Sache einen unnötig trashigen Ton gibt.
Acud, b-ware!, Babylon Kreuzberg, Delphi und FaF; OmU im Sputnik

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