zum Hauptinhalt
Daniel Barenboim
© Matthias Balk/dpa

Jubiläumsabend mit Daniel Barenboim: Familientreffen

Ein Weltstar feiert sich selbst: Bei dem Jubiläumsabend zur „50-jährigen künstlerischen Freundschaft Daniel Barenboims und der Berliner Philharmoniker“ spielt der Geehrte Johannes Brahms 1. Klavierkonzert

So sehr drängt bei diesem Konzert anlässlich der „50-jährigen künstlerischen Freundschaft Daniel Barenboims und der Berliner Philharmoniker“ der Teil des Abends mit Barenboim am Flügel in den Vordergrund, dass man fast vergisst, wie eindrücklich es begonnen hat. Unmerklich setzt unter der Leitung von Duncan Ward das Schimmern des Fernorchesters in Charles Ives’ „The Unanswered Question“ ein, in das sich nun, weiter unten im Saal, Trompete und Flöten atonal und fingerhakelnd einmischen. Und kaum versiegt dieses Zwiegespräch in einem vierfachen Piano, da beginnen unter Simon Rattle attacca die Strauss’schen „Metamorphosen“ für 23 Solostreicher, eine unendlich sich drehende Klangspindel, die das Vergehen und Vorrücken der musikalischen Möglichkeiten ebenso zu beklagen scheint, wie sie die Fülle des Augenblicks entfaltet und in die rätselhaften Schächte der Zeit selbst hinuntersteigt.

Lange dauert es, bis der Saal wieder zu sich kommt. Zur zweiten Hälfte zieht Rattle gemeinsam mit Barenboim ein. Wer von beiden ist jetzt der Diensthabende? Rattle, der treulich beiseite und zum Orchester tritt? Oder Barenboim, der den Solopart in Brahms’ Erstem Klavierkonzert übernehmen wird und die Blicke auf sich zieht wie ein Napoleon? Beide jedoch spielen ja nur, im doppelten Sinn. Rattle lässt dem Älteren, über den er später in einer Ansprache sagen wird, „er ist kein Gast, er ist Familie“, sofort den Vortritt, das Orchester immer nur kurz, nur in den rein orchestralen Passagen zu sich nehmend. Und Barenboim gibt sich auf eine sehr ernste „Ich weiß von nichts, ich spiele hier nur Klavier“-Weise in seinen Solopart versenkt, hütet sich, auch nur Blicke zu werfen ins Orchester hinein. Über das er natürlich trotzdem bestimmt, mit schweren Rubati, bretternden Oktaven, einer tiefen Gewissheit über das Wie und Warum bei leichter Schnoddrigkeit gegenüber den technischen Ansprüchen. Sehr einprägsam wird es, wenn das Orchester ihn im Lauf des ersten Satzes mit massiven Fortissimo-Schlägen an die Wand boxt, einer der raren Momente von Aggressivität und Machtentfaltung, ein Teil des Spiels. Der zweite Satz bleibt manieriertes Experiment, ein Stochern in Optionen, dynamisch zurückgenommen bis ins Verschwinden, als Zugabe spielt Barenboim ein Chopin-Nocturne.

Zur Startseite