Humboldt-Forum: Es kracht auf der babylonischen Baustelle
Lange war das Humboldt-Forum im Zeit- und Kostenplan. Dass sich das jetzt ändert, kann man nicht den Museumsplanern vorwerfen.
Ein sehr kleines Büchlein zu einem sehr großen Thema hat Neil MacGregor jetzt im Verlag Matthes & Seitz publiziert: „Globale Sammlungen für globalisierte Städte“. MacGregor spricht im Wesentlichen von London und dem British Museum, dessen Direktor er lange Jahre war. Natürlich ist auch Berlin gemeint, seine neue Wirkungsstätte, wenn es heißt: „Wir leben in Babel, und unsere Aufgabe ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die Geschichte von Babel zu einem guten Ende kommt.“ Dabei, sagt der Gründungsintendant des Humboldt-Forums, können die Museen und ihre Sammlungen helfen.
Aber kaum ist MacGregor in der Stadt, kracht es auf der großen babylonischen Baustelle. Manfred Rettig, Vorstand und Sprecher der Schloss-Stiftung, die für den Bau des Humboldt-Forums verantwortlich ist, hat vor ein paar Tagen überraschend seinen Rücktritt erklärt. Er verbindet den Schritt mit einer Warnung vor Verzögerungen und Verteuerungen am Bau. Die aber gibt es schon seit gut anderthalb Jahren.
Rettig nervt der Plan des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, Berlins Präsentation im Humboldt-Forum umzugestalten. Aus der Kulturverwaltung aber ist zu hören, dass es deswegen nicht zu Komplikationen und Mehrkosten kommen werde. Rettig wehrt sich auch gegen MacGregor – der will mit Rückendeckung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters noch so manches verändern im Humboldt-Forum. Dafür ist er aus London geholt worden.
Rettig war der Manager des Hauptstadtumzugs. Da klappte so gut wie alles, daher sein exzellenter Ruf. Beim Humboldt-Forum im Schloss – den Eindruck muss man gewinnen – will er sein Image nicht beschädigt sehen. Und als „Schlossherr“, wie er gern genannt wird, nicht Diener vieler Herren sein. Möglicherweise ist es auch eine Mär, dass der Bau, der im September 2019 eröffnet werden soll, im Zeit- und Kostenrahmen liegt. Die Protokolle der Stiftungssitzungen sprechen zum Teil eine andere Sprache. Schon Ende September 2014 werden „weitere Verzüge“ befürchtet. Ursächlich für die „erneuten Störungen“ war demnach eine „ungenügende Klärung und Koordinierung rohbaurelevanter Regeldetails.“ Die Rede ist da von „einer möglichen Verlängerung des Gesamtprojekts“ und einem „Verzug für die Gesamtmaßnahme“. Kurz: Der Eröffnungstermin könnte wackeln, denn es heißt schon zu diesem frühen Zeitpunkt, dass „einzelne Geschosse mit Verzögerungen um bis zu zehn Monate fertiggestellt werden.“
Richtfest wurde am 12. Juni 2015 gefeiert. Der „vierteljährliche Bericht über die Tätigkeit der Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-Forum bis 30. 6. 2015“ erwähnt zu der Zeit Probleme insbesondere beim Brandschutz. Generell heißt es: „Nach wie vor bestehen grundsätzliche organisatorische und fachliche Defizite des Architekten in der Koordinierung der Fachplaner, in der Qualitätskontrolle und der vorausschauenden Organisation der eigenen Planung. Diese sind weiter Gegenstand von Mängelanzeigen und führen weiter zu einem hohen Koordinierungsaufwand durch das Projektmanagement am Ende der Ausführungsplanung.“
Um welche Summe der Bau sich dadurch verteuert, kann in dem Bericht „nicht abschließend bewertet werden.“ Von einer Überschreitung des genehmigten Budgets zum Ende des zweiten Quartals 2015 in Höhe von 6,5 Millionen Euro ist allerdings die Rede. Die Gesamtkosten für den Schlossbau sind mit 590 Millionen Euro festgelegt. Unklar ist, ob die Mängel bis heute abgearbeitet und welche Zusatzkosten tatsächlich entstanden sind. Zweifel an der Kompetenz des Architekten und Wettbewerbssiegers Franco Stella gab es von Anfang an.
Manfred Rettig hat intern stets auf die Probleme und Risiken am Schlossbau hingewiesen: Das kann man sagen. Dass es sowieso teurer wird, liegt bei der Größe des Projekts auf der Hand. Doch Rettig kann dafür nicht die Museumsplaner angreifen und sich aus dem Staub machen – in dem Moment, da die Geschichte von Schloss Sorglos zerbröselt.