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Die Schauspieler (v.l.) Jürgen Stössinger, Aurel Manthei, Katharina Pichler und Bibiana Beglau bei einer Probenszene des Bertolt Brecht-Stücks «Baal» im Residenztheater in München.
© dpa

Suhrkamp vs Residenztheater: Erst das Fressen, dann der "Baal" von Frank Castorf

Die Münchner "Baal"-Inszenierung von Frank Castorf wird in Raten abgesetzt. Der Suhrkamp Verlag scheiterte daran, die Erben von Bertolt Brecht umzustimmen.

Nur zwei Mal noch darf die Münchner „Baal“-Inszenierung von Frank Castorf gezeigt werden. Darauf „einigten sich“, wie es offiziell hieß, der Suhrkamp Verlag als Vertreter der Brecht-Erben und das Residenztheater vor dem Münchner Landgericht. Der Vergleich wurde nach sechseinhalb Stunden Verhandlung erzielt. Die vorletzte Aufführung ist am am 28. Februar in München, die letzte im Mai beim Theatertreffen in Berlin.
Die Erben haben sich durchgesetzt mit ihrer Willkür und einem Verbot auf Raten. Für sie stellt Castorfs Arbeit eine unerlaubte Bearbeitung eines Textes von Bertolt Brecht dar. Der hat es, zumal als junger Dramatiker, mit dem Urheberrecht selbst nicht so gehabt. Als er älter wurde und weise, schrieb er das Drama vom „Kaukasischen Kreidekreis“. Da wird ein Streit um ein Kind geführt zwischen der Magd Grusche, die das Kind gerettet hat, und der leiblichen Mutter, einer Gouverneursfrau. Die Frauen sollen an dem Kind, das in dem Kreis steht, ziehen und zerren, da werde sich die wahre Mutter erweisen. Grusche lässt das Kind los, sie will es nicht verletzen. Die andere übt Gewalt, reißt das Kind an sich. Der Richter, Azdak genannt, hört auf die Sprache des Herzens und entscheidet für Grusche.

Alle haben gewusst, was für ein Regisseur Frank Castorf ist

So einen Azdak gab es jetzt auch in München am Gericht. Er machte Vorschläge, wie dem Theater geholfen werden könnte – und der anderen Seite auch. Doch Suhrkamp und die Erben blieben hart. Sie rissen das Kind „Baal“ von der Bühne, und Grusche Castorf hat das Nachsehen. Er wird es wegstecken. Die Aufführung beim Theatertreffen dürfte ein Happening werden. Auch dass die Brecht-Erben brutal durchgreifen lassen, wenn es ihnen nicht passt, ist bekannt. Suhrkamp ist bloß Erfüllungsgehilfe. Der Hüter von Kultur und Freiheit, Geist und Poesie gibt den Zensor. Vertritt ein engstirniges Theaterverständnis. Ist Brecht damit gedient, wenn er nicht sogleich abgesetzt, sondern nur noch an zwei Abenden gebraucht und hergenommen wird? Das haben sie alle gewusst, als man die Rechte an das Residenztheater gab – was für ein Regisseur Frank Castorf ist.

In den vergangenen Jahren hat Suhrkamp, stets um Verständnis heischend, einen endlosen, enervierenden Existenzkampf und Gesellschafterkrieg vor Gerichten ausgestanden. Suhrkamp, so sagt man, ist heiliger Bestand deutscher Kultur und Literatur, ein Verlagshaus von Weltrang, seit 2010 mit Sitz in Berlin. Niemand in diesem Verlag hat die Brecht-Hüter umstimmen können. Natürlich geht es am Ende immer ums Geld. Wer würde schon auf einen Autor wie Brecht verzichten und auf die Einnahmen, die er bringt. Suhrkamp heißt der Skandal, und es muss dann doch noch mal zitiert werden, das alte Brecht-Wort: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“.

In München will man indessen nicht aufgeben. Intendant Martin Kusej kündigt an: „Man kann uns aber natürlich nicht das Theaterspielen verbieten, sondern nur die Verwendung bestimmter Texte in bestimmten Zusammenhängen. Wir werden daher nach einem kreativen Umgang mit der entstandenen Situation suchen. " Heißt: Es geht weiter, Brecht wird gestrichen. Merkt vielleicht gar keiner.

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