zum Hauptinhalt
Marek Janowski, Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin.
© Promo/Felix Broede

Marek Janowski und das RSB: Erhebet die Herzen

Weit entfernt von Tränendrüsendrückerei: Marek Janowski dirigiert Verdis Requiem.

Was für ein Einstieg! Normalerweise brauchen Mitwirkende wie Publikum die fünf Minuten der ersten Chornummer, um sich zu sammeln, sich auf die Atmosphäre des 1874 uraufgeführten Requiems von Giuseppe Verdi einzuschwingen. Am Mittwoch aber packt der Berliner Rundfunkchor die Hörer in der Philharmonie vom allerersten Takt an: Denn die Sängerinnen und Sänger lassen einen grandiosen Kathedral-Klang entstehen, volltönend, warm und weit tragend – gerade so, als würden die Töne hoch über ihren Köpfen in ein imaginäres gotisches Kreuzrippengewölbe aufsteigen. Und die groß besetzten Streicher des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin fügen fahle Klangfarben dazu, als würde Novemberlicht durch verwitterte Buntglasfenster sickern.

Seit Marek Janowski angekündigt hat, seine Chefdirigentenposition beim RSB im kommenden Sommer aufzugeben, gilt es, jeden seiner Auftritte doppelt zu genießen. Und bei dieser Aufführung der Totenmesse kann der 76-jährige Maestro einmal mehr alle Qualitäten zeigen, für die ihn seine Musiker wie auch seine Fans verehren. Als strenger Koordinator der Klangmassen waltet Janowski am Pult, unaufgeregt, ein protestantisch wirkender Interpret, der Verdis Partitur mit derselben Ernsthaftigkeit angeht, mit der er sich auch einer Bach’schen Passion widmen würde.

Das Fortissimo verlangt allerhöchste Präzision

Weit entfernt ist seine Interpretation von Sentiment und Tränendrüsendrückerei, so manchen Effekt, der sich auskosten ließe (die tolle Fagott-Stelle im „Libera me“!) unterspielt er, um jegliche opernhafte Rhetorik zu unterbinden. Denn Marek Janowski geht es um innermusikalische Stringenz, er will die Besucher im Saal erschüttern, nicht überwältigen. Darum verlangt er selbst in den wildesten Fortissimo-Ausbrüchen stets allerhöchste Präzision von den Ausführenden. Damit selbst das dichteste Stimmengeflecht durchhörbar bleibt, damit im berühmten „Dies irae“ kein Dröhnen entsteht, sondern ein Gleißen.

Der von seinem neuen Chefdirigenten Gijs Leenaars vorbereitete Rundfunkchor ist Marek Janowski dabei ein idealer Partner, aufs Genaueste vertraut mit der Ästhetik des Orchesterleiters. Herrlich können die Sängerinnen und Sänger den Ensembleklang aufrauschen lassen, sie beeindrucken selbst noch im Flüstern mit enormer Präsenz und gestalten die polyphonen Passagen mit federnder Leichtigkeit.

Aus dem Solistenquartett ragt Günther Groissböck heraus, mit prachtvollem, enorm differenziert geführtem Heldenbass. Tenor Stefan Secco ist zuständig für südlich leuchtende Italianità, vermag aber auch sensible Piani zu singen und kommt souverän mit Janowskis gebremstem Tempo im „Ingemisco“ zurecht. Eher an eine mater dolorosa denn an eine Stimme aus dem Himmel erinnert das Ausdrucksspektrum der Sopranistin Hulkar Sabirova, während Mezzosopranistin Marina Prudenskaja sehr berührend das Schwanken der menschlichen Seele zwischen Hoffen und Bangen nachzuzeichnen vermag. Frederik Hanssen

Deutschlandradio Kultur sendet einen Mitschnitt des RSB-Konzerts am 22. November ab 20 Uhr.

Zur Startseite